Computergenealogie/2008/11: Unterschied zwischen den Versionen
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== Wissen == | == Wissen == | ||
=== Blick über den Zaun === | |||
'''Deutsche im Pulverfass Transkaukasien''' | |||
In Heft 3/2008 der Computergenealogie habe ich über "Russlanddeutsche auf Wanderschaft" geschrieben. Unter den bei uns lebenden Spätaussiedlern sind auch Menschen aus Georgien. Sie machen sich beim Konflikt des Kaukasuslandes mit dem russischen Nachbarn große Sorgen um ihre Freunde und Verwandte. Dies war für mich Anlass, genau nachzufragen, wie diese Menschen dorthin gekommen sind und wie ihr Schicksal war. Hier ist nicht der Platz, die seit Jahrhunderten andauernden Konflikte in dieser Region mit den komplizierten ethnischen Auseinandersetzungen zu beschreiben. | |||
Eine deutschsprachige Seite des Goethe-Insituts in Tiflis informiert über die Geschichte der deutschen Kolonien: http://www.goethe.de/ins/ge/prj/dig/his/deindex.htm. | |||
Karl Stumpp hat in seinem Werk ''Die Auswanderung aus Deutschland nach Russland in den Jahren 1763 bis 1862'' (1. Auflage Stuttgart 1961) aus den Revisionslisten (Einwanderungslisten) ins Schwarzmeergebiet und den Passlisten alle Einwanderer mit ihren Herkunftsangaben herausgezogen und die Mutterkolonien verzeichnet. Beim letzten Artikel schrieb ich, dass das Buch kein Namensregister besitzt. Elli Wise hat die fast 10 000 Personen, die in alle Gebiete des damaligen russischen Reiches gewandert sind, in einer Tabelle der Odessa Digital Library zur Verfügung gestellt: http://odessa3.org/collections/ships/link/sindex.txt. | |||
Die ersten ca. 500 evangelischen Auswandererfamilien aus Württemberg sind 1817/1818 mit Erlaubnis des russischen Zaren nach Georgien gekommen und gründeten die Schwabendörfer Alexanderdorf, Annenfeld, Elisabethtal, Katharinenfeld, Marienfeld, Neu-Tiflis und Petersdorf rund um die Hauptstadt Tiflis. Helenendorf, Annenfeld und Georgsfeld liegen im heutigen Aserbeidschan. | |||
116 Auswanderer wanderten 1818 nach Katharinenfeld (ca. 50 km von Tiflis entfernt, seit 1921: Luxemburg, seit 1944: Bolnissi) im Südkaukasus (siehe: ''Ernst Allmendinger: Katharinenfeld ein deutsches Dorf im Kaukasus 1818-1941. Stuttgart 1989''). Der Ort wuchs schnell, es gab für die Deutschen eine lutherische Kirche, eine Grundschule, eine deutsche Zeitung und viele Vereine und Gruppen. In Neu-Tiflis, dem Vorort der georgischen Hauptstadt siedelten sich Handwerker und Kaufleute an. Auch im heute russisch besetzten Abchasien bei Suchumi am Schwarzen Meer entstanden deutsche Dörfer. Hundert Jahre später gibt es schon über 20 deutsche Dörfer in Georgien. In Tiflis erscheint 1906-1922 die Zeitung "[http://www.kaukasische-post.pressguide.info/ Kaukasische Post]" die heute im Internet wieder aufgelegt und alle 2 Monate gedruckt wird. | |||
1941 wurden von den 24 000 Deutschen in Georgien alle deportiert, die nicht mit Einheimischen verheiratet waren. Deutsche Kriegsgefangene mussten 1946 die evangelisch-lutherische Kirche in Tiflis abreißen. Von den nach Sibirien, Kasachstan und anderen Ländern Russlands Deportierten durften 1979 nur ca. 2000 Deutsche zurück nach Georgien. | |||
Auch auf der nordwestlichen Seite des Kaukasus in Aserbeidschan an der Küste des Kaspischen Meeres entstehen deutsche Dörfer, die meist als Sekundärsiedlungen von Georgien aus bevölkert werden. Die Menschen in Helenendorf (1819 gegründet, heute: Chanlar) machten das Land urbar und betrieben Weinbau. | |||
Der aserbeidschanische Historiker, Dr. Jafarli, aus Baku veröffentlichte 1998 in russischer Sprache das Buch ''Politischer Terror und Schicksale der aserbeidschanischen Deutschen'' (siehe: http://www.baku-az.com/jafarli/index_de.html). Er beschreibt die Geschichte der Dörfer und das Schicksal der Menschen während der Sowjetzeit. Nach anfänglichen wirtschaftlichen Erfolgen in der genossenschaftlichen Wein- und Wodkaproduktion wurden in den 30er Jahren die Deutschen enteignet und verhaftet, ihre Kooperativen liquidiert und ausgeraubt. Wer konnte, versuchte z.B. zur Ausbildung nach Deutschland zu kommen. Die Zurückgebliebenen (ca. 20 000 in Aserbeidschan) wurden im Oktober 1941 nach Sibirien, Kasachstan und Zentralasien deportiert. In die leeren Häuser wurden Armenier aus Karabach und Iran angesiedelt. Der Autor nennt Namen der Betroffenen und der Peiniger. Er hat die Liste der ca. 950 Deutschen aus Aserbeidschan ermittelt, die Repressionen erlitten haben, aber leider nicht veröffentlicht. | |||
(Günter Junkers) | |||
== Vereine == | == Vereine == |
Version vom 3. November 2008, 16:22 Uhr
Editorial
Internet
Projekt-Info Online-OFBs
Im Oktober konnten vier neue Online-OFB eingerichtet werden:
- Vollmersweiler
Vollmersweiler im Kreis Germersheim, Rheinland-Pfalz, hat praktisch die gleiche Geschichte, wie Freckenfeld. Vollmersweiler hatte nie eine eigene Pfarrei, alle lutherischen Bürger sind aus den Freckenfelder Kirchenbüchern herausgeschrieben, die wenigen Katholiken gingen anfangs nach Kandel und ab 1737 in den Nachbarort Schaidt in die Kirche. Die Standesamtsakten von Vollmersweiler beginnen 1793 (mit der franz. Regierung) und enden 1972 mit Bildung der Verbandsgemeinde. Dieses OFB ist auch als gedruckte Version (von Werner Esser und Ute Keppel) erhältlich.
http://www.online-ofb.de/vollmersweiler
- Laesgen
Der Ortsname Läsgen soll soviel wie Wäldchen bedeuten. Das Dorf ist alt. Im Glogauer Register von 1305 ist es unter dem Namen "Laz" genannt. Es hatte damals statt Getreide einen Geldzins von 8 Scoti zu zehnten. Der damalige Besitzer heißt in einer Urkunde Heinrichs III., von 1302 Dytherich von Sydlisz, in einer anderen von 1307 Theodoricus de Syglitz. In kirchlicher Hinsicht gehörte Läsgen immer zu Großlessen.
http://www.online-ofb.de/laesgen
- Schloin mit Heinrichau
Wie Buchelsdorf so wird auch Schloin im Kreis Grünberg, Niederschlesien, in der Avingnonger Urkunde von 1736 als Kirchdorf genannt. Damals hieß es Slone. Da es an den Bischof von Breslau zu zehnten hatte, steht es auch schon im Glogauer Register von 1305. Dort steht Slon. Der Name ist offensichtlich slawischen Ursprungs.In dieser Datenbank sind auch Personen aus dem benachbarten Heinrichau erfasst.
http://www.online-ofb.de/schloin
- Negenborn
Der Ort Negenborn liegt zwischen Holzminden und Eschershausen. Das vorliegende OFB Negenborn enthält auch die Eintragungen von Holenberg und dem Kloster Amelungsborn für die Jahre 1664-1814. Es wurde am 29. Juli 1664 von Pastor Bernhardus Sinderam aus Herzberg begonnen. Zwischen den Jahren 1679-1692 fehlen die Heiratseintragungen und die Taufen sind von Anfang 1682 bis Ende 1683 sowie von 1690-1692 nicht dokumentiert.
http://www.online-ofb.de/negenborn
Ansonsten sind im Monat Oktober 2008 für viele bestehende Online-OFBs Datenupdates durchgeführt worden. Vielen Dank an alle Bearbeiter.
Alle Online-OFBs (mittlerweile 184 mit 2,4 Mio. Personen) finden sich unter http://www.online-ofb.de
(Herbert Juling)
Nichts Neues von Adressbuchdatenbank und DigiBib
Im Oktober konnten urlaubsbedingt die für die Adressbuchdatenbank eingereichten Daten nicht in die Datenbank eingespielt werden. Auch in der DigiBib konnten aus dem gleichen Grund keine neuen Buchprojekte angelegt werden. Trotzdem ist die Arbeit an den bestehenden Buchprojekten stetig weitergegangen. Wir bitten alle Bearbeiter um Verständnis.
Meldungen über Neuzugänge und fertiggestellte Transkriptionen für beide Projekte wird es wieder zum Ende November geben.
(Marie-Luise Carl)
Software
Wissen
Blick über den Zaun
Deutsche im Pulverfass Transkaukasien
In Heft 3/2008 der Computergenealogie habe ich über "Russlanddeutsche auf Wanderschaft" geschrieben. Unter den bei uns lebenden Spätaussiedlern sind auch Menschen aus Georgien. Sie machen sich beim Konflikt des Kaukasuslandes mit dem russischen Nachbarn große Sorgen um ihre Freunde und Verwandte. Dies war für mich Anlass, genau nachzufragen, wie diese Menschen dorthin gekommen sind und wie ihr Schicksal war. Hier ist nicht der Platz, die seit Jahrhunderten andauernden Konflikte in dieser Region mit den komplizierten ethnischen Auseinandersetzungen zu beschreiben.
Eine deutschsprachige Seite des Goethe-Insituts in Tiflis informiert über die Geschichte der deutschen Kolonien: http://www.goethe.de/ins/ge/prj/dig/his/deindex.htm.
Karl Stumpp hat in seinem Werk Die Auswanderung aus Deutschland nach Russland in den Jahren 1763 bis 1862 (1. Auflage Stuttgart 1961) aus den Revisionslisten (Einwanderungslisten) ins Schwarzmeergebiet und den Passlisten alle Einwanderer mit ihren Herkunftsangaben herausgezogen und die Mutterkolonien verzeichnet. Beim letzten Artikel schrieb ich, dass das Buch kein Namensregister besitzt. Elli Wise hat die fast 10 000 Personen, die in alle Gebiete des damaligen russischen Reiches gewandert sind, in einer Tabelle der Odessa Digital Library zur Verfügung gestellt: http://odessa3.org/collections/ships/link/sindex.txt.
Die ersten ca. 500 evangelischen Auswandererfamilien aus Württemberg sind 1817/1818 mit Erlaubnis des russischen Zaren nach Georgien gekommen und gründeten die Schwabendörfer Alexanderdorf, Annenfeld, Elisabethtal, Katharinenfeld, Marienfeld, Neu-Tiflis und Petersdorf rund um die Hauptstadt Tiflis. Helenendorf, Annenfeld und Georgsfeld liegen im heutigen Aserbeidschan.
116 Auswanderer wanderten 1818 nach Katharinenfeld (ca. 50 km von Tiflis entfernt, seit 1921: Luxemburg, seit 1944: Bolnissi) im Südkaukasus (siehe: Ernst Allmendinger: Katharinenfeld ein deutsches Dorf im Kaukasus 1818-1941. Stuttgart 1989). Der Ort wuchs schnell, es gab für die Deutschen eine lutherische Kirche, eine Grundschule, eine deutsche Zeitung und viele Vereine und Gruppen. In Neu-Tiflis, dem Vorort der georgischen Hauptstadt siedelten sich Handwerker und Kaufleute an. Auch im heute russisch besetzten Abchasien bei Suchumi am Schwarzen Meer entstanden deutsche Dörfer. Hundert Jahre später gibt es schon über 20 deutsche Dörfer in Georgien. In Tiflis erscheint 1906-1922 die Zeitung "Kaukasische Post" die heute im Internet wieder aufgelegt und alle 2 Monate gedruckt wird.
1941 wurden von den 24 000 Deutschen in Georgien alle deportiert, die nicht mit Einheimischen verheiratet waren. Deutsche Kriegsgefangene mussten 1946 die evangelisch-lutherische Kirche in Tiflis abreißen. Von den nach Sibirien, Kasachstan und anderen Ländern Russlands Deportierten durften 1979 nur ca. 2000 Deutsche zurück nach Georgien.
Auch auf der nordwestlichen Seite des Kaukasus in Aserbeidschan an der Küste des Kaspischen Meeres entstehen deutsche Dörfer, die meist als Sekundärsiedlungen von Georgien aus bevölkert werden. Die Menschen in Helenendorf (1819 gegründet, heute: Chanlar) machten das Land urbar und betrieben Weinbau.
Der aserbeidschanische Historiker, Dr. Jafarli, aus Baku veröffentlichte 1998 in russischer Sprache das Buch Politischer Terror und Schicksale der aserbeidschanischen Deutschen (siehe: http://www.baku-az.com/jafarli/index_de.html). Er beschreibt die Geschichte der Dörfer und das Schicksal der Menschen während der Sowjetzeit. Nach anfänglichen wirtschaftlichen Erfolgen in der genossenschaftlichen Wein- und Wodkaproduktion wurden in den 30er Jahren die Deutschen enteignet und verhaftet, ihre Kooperativen liquidiert und ausgeraubt. Wer konnte, versuchte z.B. zur Ausbildung nach Deutschland zu kommen. Die Zurückgebliebenen (ca. 20 000 in Aserbeidschan) wurden im Oktober 1941 nach Sibirien, Kasachstan und Zentralasien deportiert. In die leeren Häuser wurden Armenier aus Karabach und Iran angesiedelt. Der Autor nennt Namen der Betroffenen und der Peiniger. Er hat die Liste der ca. 950 Deutschen aus Aserbeidschan ermittelt, die Repressionen erlitten haben, aber leider nicht veröffentlicht.
(Günter Junkers)
Vereine
Medien
Eine "Gebrauchsanweisung", die neugierig macht
Manuel Andrack, der bisher als Wanderbuch-Autor und Mitarbeiter der Harald-Schmidt-Show bekannt war, hat ein Einsteigerbuch zur Genealogie geschrieben. Ausgehend von der Frage: "Von wem habe ich das bloß?", beschreibt er seine ersten Gehversuche in der Ahnenforschung.
Andrack beschreibt in dem ausdrücklich als "Gebrauchsanweisung" betitelten Werk seine Motivation, die ersten Erfolge und Misserfolge. Er verfolgt Spuren aus Gesprächen in seiner Familie, die scheinbar in die Richtung der Hugenotten weisen, dann jedoch zu den Sorben in Brandenburg und Sachsen führen. Methoden, Helfer und Hilfestellungen nimmt er kritisch unter die Lupe und erklärt wenig hilfreiche Gentestergebnisse und die Angebote der "Schwarzen Schafe"; um so mehr helfen ihm Recherchen in Archiven, im Internet und Gespräche mit alten und "neuen" Verwandten.
Das Buch ist sicherlich keine umfassende Gebrauchsanweisung, weckt jedoch Neugierde auf die Ahnenforschung und ist gut zu lesen.
(Andreas Job)
Manuel Andrack: Von wem habe ich das bloß - Auf den Spuren der Ahnen. Eine Gebrauchsanweisung; Kiepenheuer + Witsch, 2008, 8,95 €
Kaleidoskop
Termine
Für den Monat November sind 41 genealogische Termine im "genealogischen Kalender" eingetragen.
Die Inhalte der Veranstaltungen sowie Uhrzeiten, Ortsangaben und Veranstalter finden Sie im Genealogischen Kalender.