Benutzer:Arend/Johann Christoph Gatterers Abriß der Genealogie (1788)
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Abriß
der
Genealogie.
in Vandenhoeck und Ruprechts Verlage. 1788. Vorrede. Dieses kleine Buch ist, meines Wissens, das erste systematische über die Genealogie. Man wird also hoffentlich dem zarten Erstling die Mängel, welche er noch an sich hat, um desto williger zu gute halten. Ich habe, seit einem Paar Jahren, halbjährige Vorlesungen über eine Art von historischem Cursus, unter dem bekanntern, aber nicht recht passenden Namen einer historischen Encyklopädie, auf der hiesigen Universität nicht ohne Erfolg in Gang zu bringen gesucht. Die Absicht bey diesen Vorlesungen geht dahin, nicht blos das allein zu lehren, was man gewöhnlich unter dem Worte Encyklopädie versteht: allgemeine Übersicht, Methode und Litteratur der historischen Kenntnisse; sondern Vorlage:Arendzugleich auch, und zwar hauptsächlich, die vornehmsten und allgemein brauchbarsten Lehren und Begebenheiten selbst, aus dem ganzen Umfange des historischen Gebietes auszuheben und darzustellen. Also der Kern, sowol von den sogenannten historischen Hülfswissenschaften, der Heraldik, Geographie, Chronologie, Diplomatik, Numismatik, Genealogie etc., als auch von der allgemeinen Völker- und Menschengeschichte, ist der Gegenstand des encyklopädischen Kollegiums: erst zu Ende einer jeden dieser Wissenschaften werden die Hauptbücher, welche über jede derselben vorhanden sind, vorgezeigt, und nach ihrem Werthe, Nuzen und Gebrauche beurtheilt. Da nun von allen diesen Wissenschaften bereits Abrisse vorhanden sind, die Genealogie allein ausgenommen; so glaubte ich dafür sorgen zu müssen, daß meine Zuhörer auch für diese Wissenschaft einen Leitfaden in die Hände bekommen möchten. Der gegenwärtige Abriß hat auch einen praktischen Theil, weil die Theorie, wie bey den übrigen historischen Wissenschaften, Vorlage:Arendhauptsächlich nur um der Praxis willen gelernet wird. Freylich hat mich auch dieses kleine Buch um einen ziemlich beträchtlichen Theil von Zeit gebracht, die ich hätte auf die Bearbeitung des angefangenen Buchs über die Weltgeschichte verwenden können: und ich glaube, daß manche Leser meiner Weltgeschichte nicht eben sehr damit zufrieden seyn werden. Aber ich kan und darf doch versichern, daß die Fortsezung und Vollendung der Weltgeschichte noch immer die Hauptbeschäftigung meiner Nebenstunden ist: auch ist, seit der Herausgabe des ersten Stücks vom zweyten Theile derselben, eine beträchtliche Anzahl von Stammtafeln zur Weltgeschichte bereits abgedruckt worden, die gewiß schon auf der gegenwärtigen Ostermesse erschienen seyn würden, wenn nicht Sezer und Drucker die Vollendung dieser, für kurze und dunkle Wintertage viel zu schweren und bisweilen kaum möglichen Arbeit, auf die langen und hellen Sommertage zu verspahren genöthiget worden wären. Unter diesen Stammtafeln Vorlage:Arendzur Weltgeschichte befinden sich auch mehrere von der Gattung, die ich in gegenwärtigem Abrisse der Genealogie (§. 24, 31) unter dem Namen der Länderverein- und Trennungs-Tafeln beschrieben habe. Überdas hab ich doch auch inzwischen vom Texte der Weltgeschichte selbst schon manches Stück meistens ganz ausgearbeitet. Es geht freylich, weil ich den Plan zum vortheilhaftern Gebrauche dieses Werks etwas erweitert habe, die Vollendung desselben nicht so geschwind von statten, als ich in der Vorrede des ersten Theils zwar nicht versprochen, aber doch gewünscht und gehoft habe. Indessen, wenn mir Gott noch einige Jahre Leben und Gesundheit erhält, so schmeichle ich mir mit der angenehmen Hofnung, daß ich nicht nur die Weltgeschichte, sondern auch den Abriß der Geographie und die Elementa artis diplomaticae noch zu vollenden im Stande seyn werde. Göttingen,
Inhalt, statt Registers. Theoretischer Theil der Genealogie S. 3 - 65. Erstes Hauptstück: Von der Genealogie überhaupt S. 3 - 16. Genealogie überhaupt. S. 3. Genealogische Schriften. S. 8. Zweytes Hauptstück: Von den genealogischen Tafeln S. 17 - 58.
Drittes Hauptstück: Von den genealogischen Büchern. S. 58 - 65.
Praktischer Theil der Genealogie S. 66 - Ende. Erstes Hauptstück: Von der genealogischen Praxis überhaupt. S. 67 - 70. Zweytes Hauptstück: eine Geschlechtstafel zu verfertigen. S. 71 - 106.
Drittes Hauptstück: Anentafeln zu verfertigen. S. 106 - 128.
Inhalt, statt Registers. Theoretischer Theil der Genealogie S. 3 - 65. Erstes Hauptstück: Von der Genealogie überhaupt S. 3 - 16. Genealogie überhaupt. S. 3. Genealogische Schriften. S. 8. Zweytes Hauptstück: Von den genealogischen Tafeln S. 17 - 58.
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Die Genealogie soll eine von den historischen Hülfswissenschaften seyn; aber so wie sie bisher in Büchern und Tafeln dargestellt worden ist, leistet sie der Geschichte bey weitem noch nicht allen den Beystand, welchen man von ihr erwarten kan und soll. Ursprünglich, und der Wortbedeutung nach, ist sie freylich nur Darstellung aller, von einem und ebendemselben Vater abstammenden Personen, entweder der männlichen allein, oder der männlichen und weiblichen zugleich. Die alten Hebräer nahmen, ihrer besondern Verfassung wegen, blos männliche Personen, und selbst (4 ≡) Vorlage:Arend
unter diesen nur allein die, den Stamm fortführenden Familienväter in die Stammverzeichnisse auf, wozu sie, schon vor Mose, eigne genealogische Beamte, die Schoteren aus dem Stamme Levi, gebraucht haben. Eben diese Einrichtung hatten, und haben noch, die Stammverzeichnisse unter allen den Völkern, bey welchen man dem weiblichen Geschlechte entweder gar kein, oder doch nur ein sehr eingeschränktes Erbfolgerecht gelassen hat.
Stammesverzeichnisse bestehen entweder in Stammlisten, oder in Stammtafeln. Wenn man blos die stammführenden Familienväter in den Stammverzeichnissen aufzuführen braucht, so kan man sich gar wol nur mit Stammlisten begnügen. Sollen aber alle, von Einem gemeinschaftlichen Vater abstammende Personen verzeichnet werden, so sind blose Stammlisten zur Übersicht eines ganzen Geschlechtes nicht zureichend, sondern diesen Zweck kan man nur durch Stammtafeln erreichen.
Eine eigentliche Wissenschaft ist die Genealogie nicht, wie etwa ihre Schwestern, die Chronologie, die Heraldik u.s.w. Man erzählt und beweist in ihr, wie in der gesamten Historie. Die Genealogie hat also Materie und Form mit der Historie gemein: sie ist ein Theil der Geschichte selbst, welchen man, seiner grosen Brauchbarkeit wegen, aus dem ganzen Umfange der Geschichte heraushebt, und besonders behandelt. (5 ≡) Vorlage:Arend
Genealogie gab es eher unter den Menschen, als Historie: auch ist man, so bald der Gedanke von Genealogie in der Menschenseele erwacht war, noch eher darauf verfallen, Stammtafeln der Götter, als der Menschen, zu machen. Aber die Götter-Stammtafeln waren weiter nichts, als eine rohe Art von Tabellen über physische und astronomische, aus einander fliessende, oder sonst mit einander in Verbindung stehende Begriffe, die man symbolisch dachte und ausdrückte, und genealogisch, als Götterzeugungen, ordnete. Die besten genealogischen Tafeln über die Theogonien der Griechen findet man in des Hofraths Heyne Anmerkungen zum Apollodor[1]. Die Theogonien der alten Egypter bestehen durchgehends aus symbolisch dargestellten astronomischen Begriffen, wie ich in zwoen Societätsabhandlungen[2] bewiesen habe. (6 ≡) Vorlage:Arend
Man hat schon sehr viel, ausserordentlich viel über die Genealogie geschrieben. Wer alle Werke darüber sammeln wolte, der müste ihnen in der That einen ganzen, gewiß nicht engen Büchersaal einräumen. Selbst die blosen litterarischen Verzeichnisse von genealogischen Werken machen eigene Bücher aus. Man hat dergleichen von Reimmann[3] und von Joh. Hübner, dem Jüngern[4].
Ihrer Menge ohngeachtet, lassen sich doch alle genealogischen Werke unter zwo Klassen bringen: sie sind entweder genealogische Tafeln, oder genealogische Bücher.
Diese beyden Arten von genealogischen Werken hat man bey der alten, mittlern und neuen Geschichte, (7 ≡) Vorlage:Arend
und bey der allgemeinen, wie bey der besondern, nöthig: und insofern kan die Genealogie selbst auch, theils in die alte, mittlere und neue, theils in die allgemeine und besondere eingetheilt werden.
Als man noch die Universalhistorie nach dem Plane von 4 Monarchien[GWR 1] geschrieben hatte, und das that man noch vor nicht gar langer Zeit: so wurden auch die allgemeinen genealogischen Werke gewöhnlich nach den 4 Monarchien geordnet.
Nach einem andern Plane werden allgemeine genealogische Werke auch so entworfen, daß man ohne Rücksicht auf Länder, alle Familien von einerley Stand, Würde und Amt zusammenstellt: also kaiserliche, und königliche, churfürstliche und fürstliche, gräfliche und dynastische, adeliche: Familien von Kanzlern und andern Reichsbeamten etc.
Auf die Art eines geographischen Atlas, der aus der Generalkarte eines Landes und aus Specialkarten der einzelnen grösern und kleinern Theile des Landes zu bestehen pflegt, läßt sich auch über jedes Land ein genealogischer Atlas gedenken. So ein genealogischer Atlas müste die Stammtafel des Landesherrn sowohl, als die Stammtafeln des hohen und niedern Adels, und anderer angesehenen Familien enthalten. Diesem Plane nähert sich, insoweit es der Zweck erlaubte, meine Sammlung von Stammtafeln, die, unter dem Titel: Stammtafeln zur Weltgeschichte, wie auch zur Geschichte der europäischen (8 ≡) Vorlage:Arend
Staaten und des teutschen Reichs, zu gleicher Zeit mit dem gegenwärtigen Abriß der Genealogie herauskommt.
Über genealogische Dinge schrieb man in der alten, mittlern und neuen Zeit. Was sich aus dem Mittelalter hiervon erhalten hat, ist zum Theil besonders, meistens aber in den allgemeinen Sammlungen der Chronik- und Historienschreiber der mittlern Zeiten abgedruckt worden. In den neuern Zeiten sind Teutsche und Franzosen die beyden genealogischen Hauptnationen: so wie sie überhaupt, zumal die Teutschen, noch jezt die meisten Bücher drucken lassen. Das 17te Jahrhundert ist reicher an genealogischen Produkten, als alle vorhergehende Jahrhunderte, und selbst auch als das gegenwärtige. Im 17ten Jahrhundert schrieb auch der Hauptverbesserer der genealogischen Methode, Andreas Duchesne († 1640). Die ältesten gedruckten Bücher über die Genealogie kamen zu Ende des 15ten und zu Anfang des 16ten Jahrhunderts heraus. Um diese Zeit fiengen auch die Familien des hohen und niedern Adels an, ihre geschriebenen Stammbücher oder Stemmatographien verfertigen zu lassen: also in einem Zeitalter, da die Diplomatik noch nicht erfunden war, und da man noch stark an Familien-Mährchen hieng, und das Vorurtheil des Alterthums, wie eine Seuche, allenthalben grassirte.
Gerade wie alle genealogischen Versuche der Menschen, nicht mit Menschen-Genealogie, sondern mit Götter-Genealogie anfiengen (§. 4): (9 ≡) Vorlage:Arend
eben so war, meines Wissens, auch das erste gedruckte Buch in der Genealogie ein Werk von den Genealogien der heidnischen Götter, welches von dem Florentiner, Joh. Boccacio († 1375) geschrieben, und erst nach dessen Tode, 1494 herausgegeben worden ist. Die zwey ältesten, mir wenigstens bekannten, gedruckten Werke über Menschen-Genealogien rühren auch von Italienern her: das eine von Benevenut de St. Georgio, einem Mayländer, 1515, und das andere von Philibert Pingon, einem Savoyer 1521. Dann folgten zunächst zwey Werke von Teutschen, das eine von Hieronymus Gebwiler, einem Straßburger, 1527, und das andere von Jacob Meyer aus Flandern, 1531. Endlich 1547 trat Edmund de Bouillay, ein Lothringer, hervor, u.s.w.
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Über die allgemeine Genealogie hat man die ältesten, grösten und brauchbarsten Werke teutschen Gelehrten zu danken.
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Zur neuesten allgemeinen Genealogie gehören folgende Schriften:
Über die Specialgenealogie des Teutschen Reichs und der Stände desselben, auch verschiedener adelichen Familien sind folgende Schriften, die, zusammengenommen, eine Art von genealogischem Atlas Teutschlandes ausmachen, zu merken:
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Von den genealogischen Tafeln.
Zuerst von den 7 verschiedenen Arten der genealogischen Tafeln (§. 6): dann von dem Entwurfe sowol, als von dem Beweise einer jeden Art.
Bisher waren nur 5 bis 6 Arten von genealogischen Tafeln im Gange: 1) Geschlechtstafeln oder eigentliche Stammtafeln: 2) Anentafeln: 3) RegierungsfolgeTafeln: 4) Erbfolgestreitstafeln, 5) synchronistische Stammtafeln und 6) historische Stammtafeln. Es läßt sich ihnen aber noch 7) eine sehr wichtige Art beyfügen: Länderverein- und Trennungstafeln.
Die Geschlechts- oder Stammtafeln, Tabulae stemmatographicae. oder Stemmata, sind die älteste und eigentlichste Art von genealogischen Tafeln. Sie stellen alle bekannten Personen männlichen und weiblichen Geschlechtes, die zusammen eine Familie ausmachen, in absteigender Linie mit (18 ≡)
allen Seitenlinien dar: gewöhnlich von dem ältesten bekannten Stammvater an, bis auf die lebenden Abkömmlinge desselben herab: zuweilen aber auch, um einer besonderen Absicht willen, von einem spätern Fortpflanzer an, bis zu einem gewissen Zeitpunkt.
Die Anentafeln, Tabulae progonologicae, stellen die Abstammung einer einzelnen Person, entweder männlichen oder weiblichen Geschlechtes, in aufsteigender Linie, sowol von väterlicher als mütterlicher Seite dar: entweder nur bis auf die Groseltern zurück; oder bis auf die Ur-Groseltern; oder bis auf die Ur-ur-Groseltern; oder bis auf die Ur-ur-ur-Groseltern; oder gar bis auf die Ur-ur-ur-ur-Groseltern hinauf: und zwar in jedem der 5 Fälle sowol von väterlicher als mütterlicher Seite. Im ersten Falle entsteht eine Tafel von 4 Anen, 2 auf der väterlichen und 2 auf der mütterlichen Seite; im zweyten Falle eine Tafel von 8 Anen, 4 auf der väterlichen und 4 auf der mütterlichen Seite; im dritten eine von sechzehen Anen, auf jeder Seite 8; im vierten eine von zwey-und dreysig Anen, 16 auf jeder Seite; und endlich im fünften Falle eine Tafel von vier-und sechzig Anen, 32 auf jeder Seite.
Die RegierungsfolgeTafeln enthalten blos die Abstammung derjenigen Personen, die nach und nach zur Regierung gelanget sind, oder ein, es sey nun gegründetes oder ungegründetes Recht, oder allenfalls auch nur Hofnung dazu gehabt haben. (19 ≡)
Die Erbfolgestreits-Tafeln stellen Personen entweder von mehr als Einer Familie, oder von mehr als Einer Linie aus einer und derselben Familie, dergestalt neben einander dar, daß man aus dem Grade der Verwandschaft leicht und geschwind den Streit über die Erbfolge in Ländern, Gütern oder Gerechtsamen beurtheilen und entscheiden kan. Sie sind also in öffentlichen und Privatstreitigkeiten über das Mein und Dein brauchbar.
Die synchronistischen Stammtafeln, eine eben noch nicht sehr gewöhnliche Art von genealogischen Tafeln, bestehen aus Stammtafeln von mehr als Einer Familie, die in verschiedener Absicht neben einander gestellt werden: entweder blos um die Gleichzeitigkeit derselben, zur Erleichterung des historischen Überblicks gewisser Begebenheiten, wahrnehmen zu können; oder um ihre Verwandschaft, jedoch ohne Hinsicht auf daraus gemachte oder herzuleitende Ansprüche, zu zeigen; oder um den Erwerb von Ländern, Gütern oder Gerechtsamen durch Heyrath, Erbverbrüderung etc. klar zu machen; oder um Erzählungen von Erbfolgestreitigkeiten zwischen zwoen oder mehrern Familien, die ihr Recht, nicht auf Abstammung, sondern auf Vermächtnisse, Verträge, u. d. gl. gründen, desto besser verstehen zu können.
Die historischen Stammtafeln unterscheiden sich von gewöhnlichen und eigentlichen Geschlechtstafeln (20 ≡)
(§. 18) dadurch, daß sie nicht blos, wie diese, die Abstammung der zu einer Familie gehörigen Personen von Einem Vater darstellen, sondern auch Lebensbeschreibungen oder Erzählungen von Begebenheiten und Thaten mit einweben, folglich aus Genealogie und Geschichte gemischt sind.
Die LänderVerein- und Trennungstafeln, eine bisher gänzlich vernachlässigte Art von genealogischen Tafeln, ob sie gleich von der grösten Brauchbarkeit in der Historie und Statistik sind. Sie zeigen, wie während der Fortpflanzung des Regentenstammes, der Staat an Ländern und Gerechtsamen zu- und abgenommen hat, mächtig oder ohnmächtig, und überhaupt das geworden ist, was er ist. Diese Ebbe und Flut in Ansehung der Besizungen läßt sich auch bey den Stammtafeln des hohen und niedern Adels darstellen. Man gewinnt hiezu Plaz genug in den Stammtafeln, wenn man darin die nicht hieher gehörigen Personen und Familienumstände übergeht, und, nebst der Regentenfolge bey Staaten, und der Stammführer beym Adel, nur die Personen aufführt, durch welche die Ebbe und Flut des Gebiets oder der Familiengüter bewirkt worden ist.
Entwurf der Geschlechtstafeln (§. 18). Die genealogischen Säze, aus welchen diese Art von genealogischen Tafeln entworfen wird, betreffen (21 ≡)
1) die Herkunft, 2) Zeit und Ort der Geburt, 3) Stand, Amt, Würde etc. 4) Zeit und Ort des Todes, 5) die Vermählung, da dann wieder des Gemahls oder der Gemahlin Herkunft, Geburt, Stand, Würde, Tod etc. nach Zeit und Ort bestimmt werden, 6) die Kinder, sowol weiblichen als männlichen Geschlechts. Die Abkömmlinge der Kinder weiblichen Geschlechts werden nur alsdann aufgestellt, wenn durch sie, nach Verlöschung der Mannslinie der Stamm fortgeführt wird: oder auch, wenn sonst etwas von Belang auf der weiblichen Nachkommenschaft beruhet. Da die Geschlechtstafeln der Grund von allen übrigen genealogischen Tafeln sind; so muß alles möglichst vollständig und genau angezeigt werden; bey den Zeitbestimmungen darf man selbst die Monatstage nicht auslassen. Es verstehet sich, daß diese Vollständig- und Genauigkeit in den ältern Zeiten selten gefordert werden kan. Man thut indessen alles mögliche, was man nur irgends kan: hilft sich auch zuweilen durch Wahrscheinlichkeiten und Muthmassungen.
Entwurf der Anentafeln (§. 19). Diese Tafeln enthalten nur allein die vollständigen Tauf- und Geschlechts-Namen von jeder, sowol männlichen als weiblichen Person. Zeit- und Ortbestimmung von der Geburt, Vermählung und Tod werden in der Beweisführung nachgetragen. Und dieß geschieht aus Noth. Denn da in den Anentafeln die ganze Folge der Anen nur auf der Oberseite von einem Blatt Papier oder Pergamen dargestellt werden muß, um den ganzen Zusammenhang der Abstammung auf einmal und ununterbrochen übersehen und betrachten (22 ≡)
zu können; so bleibt kein Raum für andere Dinge, auser den wesentlichen, die in den vollständig ausgedrückten Vor- und Zunamen bestehen, übrig. Auch der Entwurf ist von dem Entwurfe der gewöhnlichen Stammtafeln ganz verschieden. Man entwirft aber die Anentafeln auf zweyerley Art: entweder wie Quertabellen von der Linken zur Rechten, oder in der Gestalt von Stammbäumen von unten nach oben hinauf.
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Wenn Stammbäume bey Gelegenheit einer abzulegenden Anenprobe verfertigt werden, welches der gewöhnliche Fall ist, so muß der auf Pergamen geschriebene Stammbaum zugleich das Wappen einer jeden Person enthalten. Das Wappen aber muß mit Schild und Helm nebst den Helmkleinodien und Helmdecken, genau nach der heraldischen Wahrheit, über den, wie auf einer Art von fliegenden Zetteln geschriebenen Namen der Person, welcher es zugehört, gemahlt dargestellt werden. Die Verbindung des Anenbeweisers mit seinen Anen wird gewöhnlich durch gemahlte blätteriche Zweige angedeutet; damit aber dadurch nichts von den Wappen bedeckt oder unkenntlich gemacht werde, so müssen (24 ≡)
die Blätter an den Zweigen möglichst klein und in den Zwischenräumen gemahlt werden. Andere, welche in den neuern Zeiten die Anenprobe geleistet haben, liessen nicht ohne Grund seidene Schnüre, an statt der blätterichen Zweige, zur Verbindung der Geschlechtsglieder auf ihre Stammbäume mahlen: obgleich dadurch freylich die Darstellung im Ganzen das äuserliche Ansehen eines Stammbaums verliehrt. In Sachsen besonders mahlt man auch die Stammbäume regenbogenförmig: das ist, die Namen mit den Wappen werden in oberwärts ausgekrümmter, bogenförmiger Gestalt gemahlt.
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§. 27. Entwurf der Regierungsfolge-Tafeln (§. 20). Sie werden wie Geschlechtstafeln (§. 18) entworfen; aber mit Übergehung aller der Personen, die nicht wirklich zur Regierung gekommen sind, noch auch Hofnung oder Anspruchsrechte dazu gehabt haben.
Entwurf der Erbfolgestreitstafeln (§. 21). Hier werden aus einer, oder aus mehrern Geschlechtstafeln (§. 20) nur diejenigen Personen, welche an dem Erbfolgestreit Antheil genommen haben, ausgewählt. In der Darstellung selbst verfährt man wie bey den gewöhnlichen Geschlechtstafeln; nur kommt es hier insonderheit auf die genaueste Bestimmung der Zeit, selbst öfters nach Monatstagen, an: auch muß man bey den streitenden Personen alle die Umstände sorgfältig anzeigen, aus welchen der Grund der Ansprüche genugsam erhellet.
Entwurf der synchronistischen Stammtafeln (§. 22). Um diese Art von Tafeln geschickt zu entwerfen, muß man einen tabellarischen Kopf haben: auch gehört viel Erfahrung und Übung dazu. Der Entwurf selbst ist im Grunde einerley mit dem Entwurf der Geschlechtstafeln (§. 18): die Auswahl wird durch die besondere Absicht, welche man bey jeder Art von synchronistischen Tafeln hat, bestimmt. (26 ≡)
Entwurf der historischen Stammtafeln (§. 23). Sie folgen ganz dem Plane der Geschlechtstafeln: sie sind auch in der That nichts anders, als Geschlechtstafeln, nur daß mehr, oder weniger historische Umstände eingerückt werden. Zu der besten Art von Stammtafeln kan man sie wol nicht rechnen. Da sich Stammtafeln zur Historie, wie Landkarten zur Geographie, verhalten sollen; so erhellet hieraus schon, daß brauchbare Stammtafeln nicht mit historischen Erzählungen angefüllt, nicht historische Stammtafeln seyn dürfen: für die Geschichte enthalten sie zu wenig, und für die Genealogie zu viel. Aber auserdem werden hiedurch auch die Stammtafeln ohne Noth überladen, und der genealogische Zusammenhang wird so sehr zerrissen und verdeckt, daß selten ein lichtvoller Überblick der Abstammung, worin doch das Wesen einer Geschlechtstafel besteht, möglich bleibt. Gleichwol haben sich Reinerus Reineccius, Henninges, Lohmeier, und selbst Gebhardi dieser Methode bedient.
Entwurf der Länder Verein- und Trennungs-Tafeln (§. 24). Da diese Tafeln nichts anders, als Geschlechtstafeln (§. 18) sind, und sich nur darin von ihnen unterscheiden, daß der Erwerb oder Verlust von Ländern oder Gütern und Gerechtsamen bey denen Personen, welche diese Flut oder Ebbe der Besizungen verursacht haben, kurzmöglichst angezeigt wird; so kan der Entwurf derselben keine Schwierigkeit machen. Es kommt nur hauptsächlich darauf an, daß diejenigen Personen vorzüglich ausgewählt werden, von denen Erwerb oder Verlust (27 ≡)
herrührt. Aber werden durch diese Zusäze die Stammtafeln nicht eben so zur Unzeit, wie vorhin bey den historischen Stammtafeln angemerkt worden ist, überladen? Ich solte denken: Nein! denn die Zusäze selbst sind gar nicht zahlreich, und werden nur, wie durch einen Wink, angedeutet.
Genealogische Wahrheit besteht in der Übereinstimmung der Quellen mit den genealogischen Säzen, die man daraus gezogen hat. Wer demnach andere, so wie sich selbst, überzeugt, daß er keine andere genealogischen Säze in den genealogischen Tafeln verarbeitet hat, als die in den Quellen enthalten sind, der bewirkt Überzeugung von der Wahrheit der genealogischen Tafeln: oder welches einerley ist, der beweist die genealogischen Tafeln. Da die eigentlichen Geschlechtstafeln (§. 25) der Grund von allen übrigen genealogischen Tafeln sind; so müssen sie, wie die vollständigsten, so auch die zuverlässigsten seyn, damit man sich bey dem Entwurf und Beweise der übrigen Tafeln mit völliger Beruhigung auf sie beziehen kan.
In der alten Genealogie sind die Schriften der Hebräer, Griechen und Römer, und die übrig gebliebenen alten Münzen nebst den übrigen (28 ≡)
Arten von Denkmälern, die einzigen Quellen, aus welchen genealogische Säze und Beweise geschöpft werden können und müssen. Diese Arbeit, die in der That nicht leicht ist, haben bereits verschiedene Gelehrte übernommen, deren Werke oben (§. 13) angezeigt worden sind. Für jezige Genealogen ist hierin nichts weiter mehr zu thun übrig, als die Angaben dieser verdienten Männer hier und da kritischer zu bestimmen und zuweilen zu ergänzen. An Urkunden ist hier nicht zu gedenken, da sich keine Original-Urkunde aus den Zeiten vor dem 5ten Jahrhundert nach Christi Geburt erhalten hat.
Hier stehen I) Urkunden aller Art mit Rechte oben an. Sie sind, wenn sie diplomatisch wahr befunden worden, die ergiebigste und reineste Quelle genealogischer Wahrheit. Ihnen werden, in genealogischen Dingen, II) Auszüge aus Kirchenbüchern u. d. gl. gleich geachtet. Dann gehören III) Münzen, Siegel, und alle übrige Arten von Denkmälern hieher. Endlich IV) folgen Auszüge aus Geschlechts-Geschichts-Wappen- und andern glaubwürdigen Büchern.
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Große Vorsicht ist nöthig 1) bey der Feststellung des Ursprungs einer Familie, 2) bey der Bestimmung mancher, oft vorkommenden, zweydeutigen Wörter, 3) bey der Deutung sowol der Tauf- als 4) der Geschlechtsnamen.
Weiland, da man in der Genealogie noch fabelte, beliebte man den Ursprung der Familien aus dem Trojanischen Pferde abzuleiten: in der Folge, da man etwas gescheuter wurde, rückte man auf die Zeiten Augusts und seiner Nachfolger herab: wer aber nachher, beym Fortgang der historischen Kritik, recht viel Anen, der Wahrheit zu lieb, aufzuopfern scheinen wolte, blieb doch noch bey Karl dem Grosen und dessen nächsten Abkömmlingen stehen: endlich die gröste Verleugnung seines FamilienAlters bewies, glaubte man, derjenige, welcher zufrieden war, seine Anen unter den Turnierrittern zu den Zeiten des K. Heinrichs des Finklers zu finden - Aber kein Stammvater von unsern Christenfamilien steckte im Trojanischen Pferde, und half Troja verbrennen: auch war der König Priamus nicht Stammvater des Hauses Habsburg. - Die alten (35 ≡)
Herzoge von Lithauen haben nicht die Ehre, von einem Bastard des Kaisers August abzustammen: auch hat Österreich keine Privilegien von Julius Cäsar und dem Kaiser Nero empfangen, obgleich Kaiser Friedrich IV es diplomatisch behaupten will, und Lünig die Urkunden hierüber seinem ReichsArchiv einverleibt hat. Freylich versprizten viele vornehme Teutsche ihr edles Blut im Dienste Römischer Kaiser: Es können auch wol Teutsche mit unter den Römischen Truppen gewesen seyn, welche das Bedeckungscorps bey der Kreuzigung Christi ausmachten: vielleicht war selbst der kommandirende Officier dieses Corps, vielleicht auch der, welcher Christum in die Seite gestochen hat, ein edler Teutscher gewesen; aber dem allen ohngeachtet dürfen doch an der Spize einer Stammtafel des hohen und niedern Adels keine Männer aus den Zeiten der alten Römischen Kaiser gedultet werden: auch darf man dem unverschämten oder einfältigen Ulmer-Mönch, Felix Faber, nicht mehr glauben, daß der Kaiser Vespasian die Markgrafen von Baden aus Teutschland zum Feldzuge wider die Juden in Palästina berufen habe, und daß das VocationsSchreiben noch im Badnischen Archive vorhanden sey. Die Familie von Welser stammt nicht, auch nicht einmal etymologisch, von Belisar, Justinians I. General, und das Haus der Markgrafen von Brandenburg nicht von dem Italienischen Hause Colonna ab - Keine Familie darf mehr ihren Stammvater unter den Helden aufsuchen, welche Karl den Grosen über die Pyrenäer nach Spanien begleitet haben. Und wer wolte mit Wittikind, der freylich Nachkommen hinterlassen hat, noch ferner genealogischen Unfug treiben? - In Rüxners Turnierbuche sieht man Adeliche in Menge, schon von Heinrichs des (36 ≡)
Finklers Zeiten her, da es leider! gar nicht einmal noch Turniere gegeben hat, in Turniere einreiten. Aber wer wolte auch heutzutage aus Rüxners Buche die Existenz von Edelleuten und die Turniermäsigkeit von Familien beweisen? Der Mann verkaufte ja den Familien des hohen und niedern Adels turnierende Anen so viel als sie wolten und bezahlten.
Familien gabs, wie unter den übrigen Europäischen Völkern, so auch unter den Teutschen natürlicher Weise von jeher; aber darum gabs nicht auch von jeher Familien-Ableitungen, oder Griechisch gesagt, Genealogien. Ein einziges diplomatisches Axiom schlägt alle bisherigen Fabeln, allen genealogischen Wahn und Unsinn, die von Anenstolz, Unwissenheit, Schmeicheley erzeugt worden sind, auf einmal zu Boden: Über 1000 Jahre lang seit Christi Geburt gabs noch keine Familiennamen. Zuvor heist es in Urkunden von Grafen, Reichsherren und Edelleuten so: Eberhardus Comes, Fridericus Comes, Ernestus Comes; oder Eberhardus, Fridericus, Ernestus, Ludovicus, Rudolfus, Giselerus, u. s. w. Wer kan aus diesen blosen Taufnamen genealogisch-klug werden? Aber seit der Mitte des 11ten Jahrhunderts fiengen Grafen, Reichsherren und Edelleute an, theils von ihren Schlössern und Wohnsitzen, theils von gewissen Ämtern u. d. gl. Zunamen zu führen. Seitdem hat sich nun auch die Urkundensprache zum Vortheil der Genealogie geändert: seitdem heist es nicht mehr Henricus, sondern (schon A. 1062) Henricus (37 ≡)
de Sinna[6]); ferner (A. 1075): Dietmarus Subadvocatus, Ecdac de Wassenhusen et frater ejus Rubbracht, Hildiwart et Heriman de Neddere &c.[7]); desgleichen (A. 1174) unter den Zeugen einer Urkunde[8]): Liberi (homines): Comes Sizzo de Swarceburch, Comes Ernestus de Tunna, Comes Ludovicus de Lare, Dedo de Zigenberch. Ministeriales: Helpericus Vicedominus, Anoldus de Blehoue, Wernerus Dapifer, Godeboldus Marscalcus, Arnoldus de Heiligenstad, Hawardus, Cuonradus et alii quam plures; endlich zum Überfluß noch ein Beyspiel (A. 1190) unter den Zeugen: Rembertus de Monechusen, Elwart de Holthusen; Helmarkus, Reinerus, Arnoldus, fratres de Hastenbike[9]). Also seit der Mitte des 11ten Jahrhunderts, da unter dem hohen und niedern Adel Zunamen, als Familien-Namen, Mode geworden sind, fängt erst die Genealogie des hohen und niedern Adels an. Aber dieses ist nicht so zu verstehen, als wenn um diese Zeit schon bey allen Familien des hohen und niedern Adels die Geschlechtsnamen aufgekommen wären. Im 11ten Jahrhundert geschah nur erst ein geringer, kaum merklicher Anfang: die meisten Zeugen, und andere, in den Urkunden erwähnte Personen treten da noch ohne Geschlechtsnamen auf. Erst seit dem 12ten Jahrhundert (38 ≡)
sind sie, zumal beym hohen Adel, gewöhnlicher geworden; doch so, daß noch im 13ten Jahrhundert mehrere Zeugen, neben denen, die bereits Geschlechtsnamen führten, blos unter ihren Taufnamen erscheinen. So kommen in einer Urkunde von 1249 [10] noch 7 Zeugen vor, die keine Geschlechtsnamen gehabt haben. Also brauchte diese Mode eine Zeit von mehr als 200 Jahren, bis sie allgemein wurde. Die Geistlichen haben ohnedem erst seit dem 13ten Jahrhundert ihrem Amtsnamen den Geschlechtsnamen beygefügt: und zwar die Prälaten, wie Dompröbste, Domdechante, erst im letzten Viertel dieses Jahrhunderts.
Noch zweyerley ist in Ansehung des Ursprungs der Familien zu bemerken. I. Kaiser, Könige, und andre Landesherren nennen sich bekanntermassen nach dem Namen der Reiche und Länder, welche sie beherrschen. Hier vertrit also der Name des Reichs oder Landes die Stelle des Geschlechtsnamens. Sind nun diese Reiche und Länder in einer Familie erblich, so sind es auch die Namen, die von ihnen geführt werden: oder, welches einerley ist, solche Reichs- und Ländernamen sind zugleich wahre Geschlechtsnamen. Also überall, wo Erbreiche und Erbländer waren und noch sind, gab es von jeher und gibt es noch jezt Genealogien von Kaiser- Königs- und Landesherrn-Familien. Ein förmliches Erbreich ist zwar das Römisch-Teutsche Reich nie gewesen; aber ehemals blieb (39 ≡)
man doch immer gern bey der einmal gewählten Königs- und KaiserFamilie, obgleich die Individuen noch besonders gewählt worden sind. Folglich gibt es im Römisch-Teutschen Reiche, bis von den Zeiten der Karolinger her, wahre Genealogien der Kaiserfamilien. Ungefähr eben so verhält es sich mit den vormaligen Familien der grosen Reichsbeamten, der alten Herzoge von Sachsen, Bayern etc., der alten Markgrafen von Brandenburg, von Österreich u. s. w. II. Nicht nur Kaiser, Könige und andere erbliche Landesherren, sondern auch selbst Grafen, Reichsherren und Edelleute haben zuweilen, doch die leztern höchstselten und nur zufälliger Weise, das Glück, ihre Anentafel noch über die Mitte des 11ten Jahrhunderts hinauf zu verlängern. Der fast einzigmögliche Fall ist dieser, wann etwa einer aus der Familie, welcher schon den Familiennamen führt, im 12ten, oder gar im 11ten Jahrhundert ein sogenanntes (versteht sich auf unsere Zeiten erhaltenes und durch einen Glücksfall aufgefundenes) Seelgeräth zur Erlösung der Seele seiner Voreltern aus dem Fegefeuer gestiftet, und darin diese Voreltern einzeln, wie nicht ungewöhnlich ist, mit Namen angeführt hat. Denn obgleich die Voreltern in jenen Zeiten, da es noch keine Geschlechtsnamen gegeben hat, nur mit den Taufnamen, also dem äuserlichen Ansehen ganz unkenntlich für die Genealogie, genannt werden; so erhellet doch daraus ganz unstreitig, daß solche Personen zur Familie desjenigen gehören, der sie als Vater, Grosvater u. s. w. angegeben hat: zumal bey einer so höchstwichtigen Gelegenheit, wo es nicht auf irdische Vortheile, sondern auf den Erwerb der ewigen Seeligkeit angetragen wird. (20 ≡)
In Urkunden, Denkmälern und andern Arten von genealogischen Quellen kommen öfters zwey- und wol gar vieldeutige Wörter und Redensarten vor, so daß man, wenn man nicht äuserst vorsichtig ist, in grose Gefahr geräth, bald den Adel überhaupt mit Unadelichen, bald den hohen und niedern Adel, bald den hohen Adel unter sich zu verwechseln.
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Bey den Taufnamen kommen zuweilen solche Schwierigkeiten vor, daß dadurch manche Personen ganz unkenntlich, folglich für die Stammtafeln völlig unbrauchbar werden. Die vornehmsten Schwierigkeiten, wobey Vorsicht nöthig ist, sind folgende:
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Aalf, Adolf – Aalke, Aalheit, Alheit, Adelheid – Adalbert, Adilbert, Albert, Albrecht – Anteni, Teni, Antonius – Aribo, Aripo oder Eribo, Aribaldus – Armengard, Armgard, Irmengard – Asmus, Erasmus – Aschwin oder Asche .... Mannsname.
Baltildis, Batild, Batahild, Baldehildis – Balburg, Walburg – Barthold, Barteld, Bertulf, Berthold – Bartha, Bartje, Bertha, Berta oder Bertrada – Bartel, Bartholomäus – Beer, Bernhard – Beke, Gebke, Gebekka – Benno, Bernhard – Berend .... Mannsname – Betta, Bette, Betje, Elisabet – Blosel, Blasius – Bodo, Wodo, Waldo, Baldus – Börries, Borjes, Borriges, Liborius – Bucco, Burchard.
Carst, Karst, Cristan, Christian – Cauzbert, Codobert, Cosbert, Cotabreht, Gottbert (46 ≡)
oder Gottbrecht – Cecilge, Cäcilia – Ceizo, Kyso, Giso, Gisel, Gieselbert – Chono, Chunzo, Cono, Cuno, Conzo, Cunzo, Cunz, Cuz: Cunzel, Cozil, Cozzel, Cozzilo: Coerd, Cord, Curdt: Cundarat, Conrad (noch mehrere Namensverändrungen von Conrad siehe unter K) – Christein, Stine, Christina – Clamor, Clamhorus, Clamberg – Claus, Nikolaus – Cotefrid, Cotfried, Cothefried, Gottfried – (die übrigen siehe unter G) – Cozbold, Gottwald – Cozhart, Gotthard – Cunise, Cuniza, Kunigunda.
Dannel, Dannehl, Daniel – Deddo, Dedo: Deti, Deto: Diet, Dietho, Dieto, Dioto, Duoto, Dioza, Diez: Deodericus, Deotrich, Dietricus, Dietrih, Dirch, Dirk, Dyrtze: Deotheri, Deutoris, Dhietheri, Diether, Dietherus, Diotire: alles für Dietrich oder Theodoricus (die übrigen siehe unter T) – Denies, Anteni, Antonius – Drätje, Druutje, Druda, Traudel, Gertraud – Dreves, Drewes, Dröves, Endreß, Andreas.
Eilke, Heilke, Eglika: Eilike, Oylike, Alheit, Adelheid – Eler, Elard – Else, Elze, Ilse, Ilsebee, Elsbet, Elzpet, Elsebeht, Lise, Elisabet – Endres, Drevs etc. Andreas – Engele, Angelika – Eribo, Aribo, Aripo, Aribaldus – Esso, Hesso, Hezzo, Henz, Heinrich – Everd, Evert, Eberhard. (47 ≡)
Fredeken ... weibl. Name – Friedel, Friz, Friedrich.
Gangolf, Wolfgang – Gara, Gere, Gerthus, Gerhus, Gerhaus oder Gertraud – Garvert, Gerward – Geerd, Gerd, Gerdt, Gerth (vermuthlich auch Geerke), Gerhard – Gebke, Beke, Gebekka – Gesa, Gesina, Geeske, (vermuthlich auch Gesche), Gise, Gisle, Gisela – Gilgen, Ilgen, Egidi, Aegidius – Giso, Gizo, Gisal, Gisel, Gisul; Gisbert, Gisebert, Gisabric, Gisalbrecht, Gisilbracht, Gislebert: Gilbert, Guillebert, Giselbert oder Giselbrecht – Godebert, Godipert, Gotbert, Gotpert, Gotabraht, Gosbert, Gausbert, Gozbrecht, Gozberaht, Gottbert oder Gottbrecht – Godebold, Godbold, Gosbald, Gozbold, Gozboto, Gottbald oder Gottwald – Gotfrid, Gotafort, Gaufred, Gaudefried, Gosfred, Gosfried: Götz, Gotz, Gutz, Gotzo, Götzel, Gotelo: Götje, Guttke, Gödike, Gottfried – Godhard, Gozhard, Gozhere, Gotharius, Gottharius, Gotthard – Gräte, Greetje, Margareta – Guarnerius, Warnerius, Werner, Wernhard, Bernhard – Guepa, Gerberg – Guido, Vit, Vitus, Veit.
Harm, Harmen, Hermann – Haymran, Emmeran – Heil, Hille, Helia: Heilke, Eilika, Alheit, Adelheid – Hein, Heinz, Heino, (48 ≡)
Heineko, Heinemann, Heintzil, Henz, Hetzel, Hetzil, Hetzilo, Hezzo, Hesso, Esso, Heinrich – Helmar, Helmer, Hilmar, Helmke, Hillmann, Hellembert, Helmbert oder Helmbrecht – Helwig, Heilwig, Hedwig – Hemmeke, Immeke, Emma – Hibbel, Hebella – Hilpolt, Hiltepold, Hippolytus.
Jaabs, Jobs, Jodel, Jodocus, Jobst – Jaaks, Jakob – Jan, Johans, Hans, Johann – Jasper, Gasper, Kaspar – Jetta, Henrietta – Jewte, Jeute, Jutha, Gutta: Jitte, Jütte, Judith – Ilgen, Gilgen, Egidi, Aegidius – Ilse, Ilsebee, Ilsabet, Elspet, Elisabet – Immeke, Hemmeke, Emma oder Imma – Jodfriedt, Josfred, Gottfried – Jochen, Joachim – Josbert, Gottbert oder Gottbrecht – Jorig, Jörge, Jürge, Jürgen, Jürken, Georg – Jost, Joost, Justus.
Käte, Katrey, Katharina – Karst, Carst, Christian – Kisalbert, Kisalbreht, Kisalperch: Giso: Kyso: Kero, Giselbert oder Giselbrecht – Klaus, Klaas, Niklas, Nikolaus – Koerd, Koord: Kunz, Kunzo: Kunderat, Konrad – Kunl, Kunel, Kundel: Kunne, Künke, Könke, Kunigunda.
Lammert, Lambert – Lene, Leenka, Helena – Lenz, Lenzel, Lanzel, Landolo, Landolt (49 ≡)
– Levert, Libert, Libertus – Lienhart, Leonhard – Levichen, Leveke . . . . weibl. Name – Liese, Lise, Elisabet – Lippel, Lippelt, Leipolt, Leupolt, Luipold, Leopold – Lips, Philipp – Loddig, Lüdike, Lütke, Ludwig – Lorenz, Laurentius – Lukke, Lucia – Lüder, Lüer, Lür, Lothar, Luther – Luleph, Ludolf – Lux, Laux, Lukas.
Madlen, Matz, Magdalena – Mas, Maß, Maas, Thomas – Matheß, Matheis, Mattis, Matz, Matthäus – Mechel, Mechtild – Meimerich, Meimerikus und Meimerika – Meinert, Meinhard – Mergen, Mila, Maria – Mertein, Mertel, Martin – Metta, Metje, Metzze, Mathild – Meves, Mewes, Bartholomäus.
Niklas, Nyclos, Nikkel, Nikolaus.
Oylike, Eilike, Adelheid – Ortgies . . . .
Perl . . . . weibl. Name (etwa Margareta, aus dem Lateinischen Margarita? oder Berl oder Bärl, für Ursula?). (50 ≡)
Raimbert, Renobert, Regnobert, Rembert, Reinbert – Ratger, Raatje, Radeke, Rutger, Ruger, Ruggerus, Rocarus, Roccardus – Rauert, Ruward, Ruthardus, Rotherus, Ruardus – Regenbald, Reinbod, Reinbold – Regindrud, Ramtrud, Raintrud, Reintrud – Reginwart, Reinwart – Reimoot, Reimoth, Reinmuth – Reiner, Reinier, Reinher, Reineke, Reinard, Ragenhard, Reinhard – Rembrand, Regimbrand, Reginbrand, Reinbrand – Ribke, Ribbke, Rebekka – Rix, Rixenda – Robert, Ruobbert, Ruopert, Raubert, Raupert, Rubbert, Ruotbert, Rothbert, Ruitbert, Ratbert, Rupert oder Ruprecht – Röpke, Rebekinus, Rool, Raul, Rulf, Roleff, Rudolf.
Scharjes, Anscharius oder Ansgarius – Seitz, Sifrit, Seyfried oder Sigfried – Sillke, Sibylleke, Sibyl, Sibylla – Statz, Statius, Justatius – Stine, Stineke, Stienke, Christein, Christina – Stoffer, Stoffel, Christoffer, Christoffel, Christoph – Suffeye, Sophia.
Tenje, Tönjes, Denies, Anteni, Antonius – Theobald, Diephold – Theithere, Theotheri, Thiethere, Thiothere: Teuderius, Teutharius, Teoterius: Theodorich, Theotherich, Thiorihc, Thiorich, Tehtrich, Tieterich, Tutricus, Thiadericus, Theotrich, Tetricus: Theodrochus, (51 ≡)
Thietrochus, Theotaro: Theodo, Teuto: Thizo, Tizmann, Titzko etc., alle diese Namen für Dietrich oder Theodoricus (Mehrere siehe unter D.) – Teus, Teevs, Tijes, Matthäus – Tibbke, Tibeta . . . . ein weibl. Name – Tied, Tido, Titje, vermuthlich so viel als Dietrich – Thiale, Tile, Tilo, Tilemann oder Tillmann – Töle, Tölke, Thölke . . . . Mannsname - Trine, Trienke, Katharina – Truda, Traudel, Gertraud.
Utz, Ulrich.
Veltin, Valentin – Vit, Vitus, Guido, Veit.
Waldo, Wodo, Baldus, Bodo (s. unter B.) – Waltasar, Balthasar – Wernhard, Wernard, Warnerius, Guarnerius, Werner, Bernhard – Wessel . . . . Mannsname – Wibbeke, Wubke . . . . weibl. Name – Wiglas, Wigilas, Wigles, Wigleis, Wigoles, Wygeleys, Wigulejus – Wilm, Wilhalm, Wilhelmken, Wilken, Willekinus, Wilhelm – Wolbern . . . . Mannsname – Woler, Wolter, Wöltje, Woldeke, Walther – Wunnke, Wunneke, Jucunda.
Zirich, Zirik, vermuthlich Cyriakus. (52 ≡)
Die Geschlechtsnamen sind nicht aus einerley Quelle entsprungen. Gewöhnlich führte oder erhielt man den Namen von dem Schloß, Dorfe, oder sonst von einem Orte, wo man wohnte; aber viele führten auch den Namen von dem Amte, das sie bekleideten. Von der leztern Art sind die Namen Scultetus, Schultheis; Vicedominus, Viztum; Advocatus, Vogt; Monetarius, Münzer; Camerarius, Kämmerer; Dapiser, Truchseß; Marscalcus, Marschall; Pincerna, Schenk, u. s. w. Zuweilen bedeutet der Name, welchen man von einem Ort oder Lande führte, nicht den Besiz desselben, sondern das Vaterland. Auch trugen nicht selten die Diener (Ministeriales) den Namen ihrer Herren. Endlich gibt es auch nicht wenige Geschlechtsnamen, die von körperlicher Gestalt, von zufälligen Begebenheiten, auffallenden Sitten u. d. gl. hergenommen worden sind: z.B. Magnus, Gros oder Grote, Longus, Lang, Luchtekanna, Nezsten, Zelekop, Wittop, Teufel, Swengel, Stuven, Balbutus, Bloc, Freytag, Spiegel, Blomea, Pinke. Man darf nur in irgend einem diplomatischen Kodex herumblättern; so wird man seine Wunder auf allen Seiten sehen. Bey der leztern Gattung von Geschlechtsnamen, so wie auch bey den Amtsnamen, gebrauchte man natürlicher Weise das Wörtchen de oder von nicht in den Urkunden - Jezt ein Paar Worte von den Schwierigkeiten, die ein Genealoge bey der Deutung von so vielerley Arten von Geschlechtsnamen zu überwinden hat. Wenn der Herr und der Diener einerley |
- ↑ Ad Apollodori Bibliothecam Notae, auctore Chr. G. Heyne. Göttingen. 3 Theile 1783 in 12. Die Stammtafeln, deren 19 sind, findet man Th. 3, S. 998 - 1034. Voran stehen auch, S. 911 ff. gründliche Betrachtungen über die Entstehung der griechischen Mythologie aus Genealogien, mit Beziehung auf des Verf. Societätsabhandlungen, als Comment. de origine et caussis fabular. Homeric. in Nov. Commentar. Vol. VIII, de Theogonia ab Hesiodo condita in Commentat. anni 1779 T. II, und Prolus. anni 1765 de caussis fabular. physicis.
- ↑ Meine Societätsabhandlungen de Theogonia Aegyptior. stehen in Commentat. T. VII annor. 1784 et 1785, S. 1 - 57.
- ↑ Ioh. Frid. Reimmanni Historia litteraria de fatis studii genealogici apud Hebraeos, Graecos, Romanos et Germanos, in qua scriptores harum gentium potissimi enumerantur, et totus Genalogiae cursus ab orbe condito ad nostra vsque tempora deducitur. Ascan. et Quedlinb. 1702. 8.
Ejusd. Historiae litterariae exotericae et acroamaticae particula, s de libris genealogicis vulgatioribus et rarioribus commentatio: accedit disquisitio historica de necessitate Scepticismi in studio genealogico. Lips. et Quedlinb. 1710. 8. - ↑ Joh. Hübners, jun. Juris Candidati, Bibliotheca genealogica, das ist, ein Verzeichnis aller alten und neuen genealogischen Bücher von allen Nationen in der Welt. Hamb. 1729. 8.
- ↑ Ein Beispiel hievon steht in meiner Hist. Holzschuher. in der Vorrede S. 9 f.
- ↑ In Schannats Buchonia veteri p. 339.
- ↑ In Scheidts Nachrichten von dem hohen und niedern Adel S. 174.
- ↑ Beym Scheidt S. 306.
- ↑ In Treuers Geschlechtshistorie der Herren von Münchhausen, im Urkundenbuch S. 7.
- ↑ Beym Treuer auf der 8ten Kupfertafel.
- ↑ aus Schannati Hist. Wormat. im Urkundenbuche S. 118.
- ↑ S. Treuers Geschlechtshist. der Herren v. Münchhausen S. 115.
- ↑ S. Estors Anleitung zur Anenprobe s. 157, f. u. S. 162, f.
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