Provinz Posen
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Einleitung
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Fahne
Wappen
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Landesfarben
Allgemeine Information
hier: Beschreibung des Gebietes, Grenzen, Grösse, Bevölkerung usw.
Allgemeiner Überblick
Lage
Die Provinz Posen führt ihren Namen nach ihrer Hauptstadt Posen. Sie gehört zu den östlichen Provinzen des Preußischen Staates und breitet sich zwischen Weichsel und Oder im Gebiete der mittleren Warthe aus.
Im Norden grenzt sie an die Provinz Westpreußen, im Osten an Russland, im Süden an Schlesien und im Westen an die Mark Brandenburg.
Größenverhältnisse und Einteilung
Die Provinz umfasst 28.965 qkm mit 1.986.700 Bewohnern (um 1905). Die größte Ausdehnung zeigt sich von Nord nach Süd. Dieser Weg beträgt etwa 260 km. Der Flächeninhalt der Provinz macht 1/12 von dem des Königreichs Preußen, 1/18 von dem des Deutschen Reiches aus. Obwohl Posen größer ist als manche andere Provinz und manches andere deutsche Land, wird es doch von den meisten in der Bevölkerungszahl übertroffen. Amtlich wird die Provinz in die beiden Regierungsbezirke Posen und Bromberg eingeteilt, von welchen ersterer 28, letzterer 14 Kreise umfasst.
Bodenverhältnisse
Bodengestaltung: Die Provinz Posen ist ein Teil des großen ostdeutschen Tieflandes. Sie ist durchweg eben oder wellenförmig. Nur im Norden ziehen sich Ausläufer des baltischen Höhenzuges an der Brahe und Netze entlang und im Süden an der schlesischen Grenze finden sich die Hügelketten des polnischen Landrückens, welcher ein Teil des südlichen Höhenzuges ist. Die ganze Bodenfläche des Landes liegt durchschnittlich 66 m über der Ostsee; doch finden sich auch Erhebungen von 200 m und darüber. Die höchste Erhebung ist der Annaberg bei Owinsk.
Bewässerung: Die meisten Flüsse gehören zum Stromgebiet der Oder und nehmen ihren Lauf nach Westen und Nordwesten. Es sind dies die Warthe, Netze und Obra. Der äußerste Nordosten gehört zum Stromgebiet der Weichsel und wird von Weichsel und Brahe durchflossen. Zur reichlichen Bewässerung der Provinz tragen auch die zahlreichen Seen bei, von denen der größte der Goplosee ist.
Im Gebiet des ostdeutschen Binnenlandes zwischen den beiden großen Landrücken lassen sich drei grosse Längstäler unterscheiden, die namentlich in der Provinz Posen deutlich hervortreten. Das nördliche Haupttal zieht sich von der Weichsel durch die Senke des Bromberger Kanals und des NETZEBRUCHS zum Warthe- und Oderbruch hin. Das mittlere Tal lässt sich erkennen in der Richtung der Warthe bis Schrimm und im OBRABRUCH. Das südliche Haupttal verläuft am Fuße des südlichen Landrückens und tritt im BARTSCHBRUCH deutlich hervor. In diesen großen Längstälern wälzten einst die großen Ströme des ostdeutschen Tieflandes ihre Wassermassen nach Westen, bis sie späterhin in Durchbruchstälern Abfluss nach Norden fanden.
Bodenbeschaffenheit: Der Boden der Provinz Posen war in uralter Zeit Meeresboden, was zahlreiche Funde von versteinerten Seetieren und von Bernstein beweisen. Als Schwemmland ist der Boden am an Mineralien. Metalle und Steinkohlen fehlen ganz und gering ist auch die Ausbeute an Braunkohlen, obwohl Braunkohlenlager ziemlich häufig in der Provinz auftreten (an der Warthe, Obra, Netze und Brahe). Braunkohlengruben gibt es bei Crone a. B. ("Moltke"), im Kreis Meseritz ("Gut Glück") und im Kreis Birnbaum ("Klara" und "Gustavus"). Salz liefern das Salzlager und die Königliche Saline bei Hohensalza. Unter den Gesteinsarten sind Kalkstein, Granit, Quarz, Feldspat und Glimmer vorherrschend. Bei Wapno unweit Exin gibt es ein großes Gipslager. Große Torflager sind im Netzegebiet zu finden. Die Provinz hat größtenteils guten Getreideboden. Nur die nördlichen und südlichen Grenzgebiete enthalten viel unfruchtbaren Sandboden. Bruchland befindet sich um Netze, Warthe, Obra und Bartsch.
Klima
Das Klima gleicht im allgemeinen dem des nordöstlichen Deutschland. Es ist gekennzeichnet durch den Übergang vom Landklima Osteuropas zum Seeklima der westlichen Küstenländer. Die mittlere Jahreswärme beträgt 7 - 8 °C. Die Sommer sind heiß und regenarm, die Winter kalt und schneereich mit häufigem Wechsel von Frost und Tauwetter. Die Nachtfröste dauern bis spät in den Mai hinein. Im Volksmund werden die Kälterückfälle im Mai die "drei gestrengen Herren" (Mammertus, Pankratius, Servatius, 11. bis 13. Mai) genannt. Das Klima ist dem Ackerbau meistens recht günstig und im Süden der Provinz wird sogar Weinbau betrieben.
Die Bewohner
Abstammung: Zur Zeit des Polenreichsbestand die Bevölkerung des Posener Landes fast nur aus Polen. Diese gehören zur großen Völkerfamilie der Slawen. Doch hatten sich bereits lange vor der ersten Teilung Polens n den Städten und auf dem Land der Provinz auch Deutsche angesiedelt. Seitdem das Land zu Preußen gehört, hat die deutsche Bevölkerung in der Provinz immer mehr zugenommen und mach um 1910 fast die Hälfte der Einwohner aus. Im Netzebezirk, an der brandenburgischen und schlesischen Grenze, sowie in allen größeren Städten überwiegt die deutsche Bevölkerung, in der Mitte und im Osten der Provinz die polnische. Die Verbesserung der Bodenkultur, die Blüte des Gewerbes, des Handels und Verkehrs, die Zunahme der Volksbildung dankt die Provinz deutscher Arbeit. Außer Deutschen und Polen wohnen über 30.400 Juden in der Provinz. Sie treiben in den Städten Handel, Industrie und leichtes Handwerk, auf dem Land Schankwirtschaft und Hausierhandel.
Religion: Die Deutschen bekennen sich größtenteils zur evangelischen, die Polen mit wenigen Ausnahmen zur katholischen Kirche. Doch gibt es in der Provinz auch viele katholische Deutsche an der Brandenburger Grenze und evangelische Polen an der schlesischen Grenze. In der Stadt Bomst wohnen polnisch redende, evangelische Wenden. Die katholische Kirche zählt in der Provinz Posen doppelt so viele Bekenner als die evangelische Kirche (1.348.000 katholisch und 605.000 evangelisch). Die Juden haben die mosaische Religion. Ihre Zahl hat sich in den letzten Jahrzehnten stetig vermindert.
Die Landbewohner treiben die einzelnen Zweige der Landwirtschaft, als Ackerbau, Viehwirtschaft, Pferdezucht, Schaf- und Schweinezucht. Auch die Obstbaumzucht und der Gartenbau beginnen sich zu heben. Die Bienenzucht war von jeher eine Lieblingsbeschäftigung der Landbewohner Posens. Flüsse und Seen laden zum Fischfang ein. Auch die Waldwirtschaft, die Glashütten und Ziegeleien beschäftigen viele fleißige Hände. Andere Landbewohner erwerben ihren Unterhalt in Fabriken, als Zuckerfabriken (21), Bierbrauereien (146) und Spiritusbrennereien (489).
In den Städten der Provinz haben Gewerbefleiß und Handel ihre Heimstätte. Doch wohnen auch in den zahlreichen sehr kleinen Städtchen viele Ackerbürger. Posen ist im wesentlichen ein ackerbautreibendes Land. Die Provinz gehört zu denjenigen Ländern des Deutschen Reichs, die eine starke Auswanderung aufweisen. Doch ist die Bewegung seit 1894 sehr zurückgegangen. 1891 wanderten noch 18.275 Personen aus, 1898 dagegen nur 1.349. Das Hauptziel der Auswanderer ist Amerika. Auch die sogenannte "Sachsengängerei" bringt den landwirtschaftlichen Verhältnissen der Provinz viel Schaden, zumal die wenigsten der "Sachsengänger" wieder in ihre alte Heimat zurückkehren.
Politische Einteilung
Die Provinz Posen war 1914 in zwei Regierungsbezirke und 42 Kreise unterteilt:
Regierungsbezirk Posen (28 Kreise)
Adelnau, Birnbaum, Bomst, Fraustadt, Gostyn, Grätz, Jarotschin, Kempen, Koschmin, Kosten, Krotoschin, Lissa, Meseritz, Neutomischel, Obornik, Ostrowo, Pleschen, Posen-Stadt, Posen-Ost, Posen-West, Rawitsch, Samter, Schildberg, Schmiegel, Schrimm, Schroda, Schwerin, Wreschen
Regierungsbezirk Bromberg (14 Kreise)
Bromberg-Stadt, Bromberg-Land, Czarnikau, Filehne, Gnesen, Inowrazlaw, Kolmar, Mogilno, Schubin, Strelno, Wirsitz, Witkowo, Wongrowitz, Znin
1920 -1938 ...
Von 1939 bis 1944 wurde die ehemalige Provinz Posen zum "Reichsgau Posen-Wartheland" und in drei Regierungsbezirke mit 44 Kreisen unterteilt:
Regierungsbezirk Hohensalza
Altburgund, Dietfurt (Wartheland), Eichenbrück, Gensen-Stadt, Gnesen-Land, Hermannsbad, Hohensalza-Stadt, Hohensalza-Land, Konin, Kutno, Leslau-Stadt, Leslau-Land, Mogilno, Waldrode, Warthbrücken
Regierungsbezirk Kalisch / Litzmannstadt
Kalisch-Stadt, Kalisch-Land, Kempen (Wartheland), Lask, Lentschütz, Litzmannstadt-Stadt, Litzmannstadt-Land, Ostrowo, Schieratz, Turek, Welungen
Regierungsbezirk Posen
Birnbaum (Wartheland), Gostingen, Grätz (Wartheland), Jarotschin, Kolmar (Wartheland), Kosten (Wartheland), Krotoschin, Lissa (Wartheland), Obernick, Posen-Stadt, Posen-Land, Rawitsch, Samter, Scharnikau (Wartheland), Schrimm, Schroda, Wollstein, Wreschen
Geschichte
Ein Teil von Grosspolen kam unter König Friedrich II von Preussen in 1772 bei der ersten polnischen Teilung als Netzebezirk an Preussen. Bei der zweiten polnischen Teilung in 1793 wurde der Rest der Provinz Posen von König Friedrich Wilhelm II von Preussen übernommen und als Südpreussen bezeichnet.
Nach der preussischen Niederlage durch Napoleon Bonaparte, wurde Posen mit dem Grossherzogtum von Warschau vereinigt (1807-1815). Als mit der Macht Napoleons auch das Grossherzogtum Warschau fiel, erhielt Preussen die Provinz Posen zurück (1815-1919). Die Provinz Posen ist in die Regierungsbezirke Posen und Bromberg unterteilt. Die Hauptstadt der Provinz ist Posen (Poznan).
Nach dem Ersten Weltkrieg kam Posen an das neu gebildete Polen. Deutschland besetzte die Provinz Posen im Zweiten Weltkrieg (1939-1945) und nannte sie Warthegau. In 1945 kam Posen zurück an Polen und die deutsche Bevölkerung wurde vertrieben.
Die älteste Zeit
Das Land um Warthe und Netze war zur Zeit Christi von den germanischen Volksstämmen der BURGUNDIONEN und LYGIER bewohnt. Die Völkerwanderung führte diese Völker nach Westen und Süden, und ihre Wohnsitze wurden von SLAWEN eingenommen. Die Slawenstämme im Gebiete der mittleren Weichsel und Warthe führten nach ihrem sagenhaften Fürsten Lech den Namen LECHEN. Unter ihnen erlangte der kriegerische Stamm der POLANEN (= Bewohner der Ebene) das Übergewicht.
Bis in die Mitte des 10. Jahrhunderts ist die Geschichte dieses Slawenvolkes sagenhaft, unbestimmt und dunkel. Die ältesten Sagen weisen auf die Städte GNESEN und KRUSCHWITZ hin. Gnesen soll von Lech I., der hier ein Adlernest fand, gegründet sein. Kruschwitz am Goplosee war die alte Residenz und Feste der polnischen Herzöge. Hier herrschte auch der letzte Herzog aus dem Geschlecht der Lechen, POPIEL II., welcher durch seine Grausamkeiten viel Unglück über das Land brachte. Er nahm nach der Sage ein schreckliches Ende. Einst ließ er alle seine Oheime durch Gift töten und verbot es, die Leichen derselben zu beerdigen. Da entstanden aus diesen zahllose Mäuse, welche ihn nach allen Orten hin verfolgten. Zuletzt flüchtete er sich auf einen hohen Turm im Goplosee. Aber auch dahin folgten ihm die Mäuse und töteten ihn. Seitdem hieß jener Turm der "Mäuseturm".
Die Zeit der Piasten (840 - 1370)
Nach dem Tode Popiels gelangte das Herrschergeschlecht der PIASTEN zu hohem Ansehen und bedeutender Macht. Der Stammvater desselben war der Bauer PIAST, der nach der Sage von den polnischen Edlen vom Pfluge hinweg auf den Thron berufen wurde. Der vierte Nachfolger Piasts, Herzog MIESKO I., nahm unter dem Einfluss seiner frommen christlichen Gemahlin DUBROWKA, einer Tochter des christlichen Böhmenherzogs, mit seinem Volke das CHRISTENTUM an (965). Miesko errichtete das Bistum Posen, welches Kaiser Otto I. dem Erzstifte Magdeburg unterstellte, und erbaute den Dom zu Gnesen. Den Deutschen Kaiser erkannte er als Lehnsherrn an.
Sein Sohn BOLESLAW I., der Tapferer, ist als der eigentliche Begründer des polnischen Reiches anzusehen. Er wusste die Alleinherrschaft über alle polnischen Länder an sich zu reissen, dehnte im Sinne seiner Herrschaft über Krakowien, Sandomir (Kleinpolen) und Schlesien, im Norden über Masowien und Pomerellen aus. Nach Osten drang er bis Kiew vor. In allen diesen Ländern trat er für die Verbreitung oder Befestigung des Christentums ein. So unterstützte er auch in jeglicher Weise den heiligen ADALBERT bei seinen Bekehrungsversuchen im Lande der heidnischen Preussen, und als dieser Apstel dort den Märtyrertod stab, kaufte er seinen Leichnam con den Heiden und setzte ihn im Dom zu Gnesen bei. Von hier aus erscholl bald durch die Christenheit der Ruf von Wundern, welche am Grabe des Apostels geschähen, und viele Pilger suchten dort Gnade und Heilung von allerlei Gebrechen. Auch KAISER OTTO III. machte im Jahre 1000 eine Pilgerfahrt nach Gnesen, um am Grabe des Apostels zu beten. Mit vielen Ehren und grosser Pracht wurde er von Boleslaw aufgenommen. Er erliess demselben die weitere Zahlung von Tribut, nannte ihn seinen Freund und Mitarbeiter am Reiche und errichtete in Gnesen ein ERZBISTUM. Nach dem Tode Ottos III. benutzte Boleslaw die Wirren im Deutschen Reiche zu mehreren Kriegszügen in die deutschen Grenzländer, erklärte Polen für unabhängig vom Deutschen Reich und wusste die Unabhängigkeit seines Landes bis zu seinem Tode zu behaupten. Die Standbilder der ersten beiden christlichen Polenherzöge, Miesko und Boleslaw, befinden sich im Dom zu Gnesen.
Unter den Nachfolgern Boleslaws sank das Reich durch die vielen Teilungen und inneren Kämpfe bald wieder vom Gipfel der Macht. Grenzländer gingen verloren, und die einzelnen Herzogtümer erlangten ihre volle Unabhängigkeit. Gegen Ende des 13. Jahrhunderts regierten mehr als ein Dutzend Herzöge aus dem Geschlecht der Piasten unabhängig voneinander. da gelang es WLADISLAUS I. (Lokietek = der Ellenlange), Gross- und Kleinpolen zu einem Reiche zu vereinigen. Mit Genehmigung des Papstes und ohne Widerspruch des Deutschen Reiches liess er sich vom Erzbischof von Gnesen in Krakau zum KÖNIG VON POLEN krönen (1320). Dem immer mächtiger werdenden Adel musste bereits dieser erste Polenkönig Anteil an der Gesetzgebung einräumen. Der letzte Fürst aus dem Hause der Piasten war sein Sohn KASIMIR III., der GROSSE. Er stellte Recht und Ordnung im Lande her, gab weise Gesetze, nahm sich in fürsorglicher Weise auch der unterdrückten, leibeigenen Bauern an und gründete die Universität Krakau. Gegen Andersgläubige was er duldsam und gegen die deutschen Kolonisten sehr freundlich gesinnt.
Deutsche Bauernkolonien und Städte
Seit der Mitte des 13. Jahrhunderts wanderten zahlreiche deutsche Kolonisten in das polnische Reich ein. Besonders im Gebiet der Provinz Posen gründeten die deutschen Einwanderer viele BAUERNKOLONIEN und STÄDTE. Die Lage dieses Landstrichs war der Verbreitung des Deutschtums auch besonders günstig, weil derselbe im Norden, Westen und Süden an germanisiertes Gebiet grenzte. Die meisten Fürsten und die Klöster begünstigten die Einwanderung deutscher Ansiedler, da die Arbeit derselben dem Lande zum Segen gereichte, zumal Polen dünn bevölkert war. Die deutschen Ansiedler verstanden es, den Boden auf bessere Weise anzubauen, als die polnischen Landsleute. Wälder wurden gelichtet, Sümpfe entwässert und in fruchtbare Ackerfluren verwandelt. Die Ansiedler waren FREIE BAUERN, keinem Gutsherrn hörig oder leibeigen. Ihre Äcker waren ihr Eigentum. Sie durften sie auf ihre Kinder vererben oder auch verkaufen und konnten sich anderorts ansiedeln. Sie zahlten ihren Zins an den Fürsten und den Zehnten an die Kirche in Geld, waren von den polnischen Beamten unabhängig und hatten auch deutsche Gerichtsbarkeit.
Auch zahlreiche DEUTSCHE STÄDTE entstanden im Posener Land. Grosse Dorfgemeinden erwarben das Stadtrecht, oder Fürsten, Klöster und Edelleute verliehen deutschen Einwanderern das Recht, auf ihrem Grund und Boden Städte zu gründen. Als älteste deutsche Stadt darf wohl Fraustadt gelten, welches bereits im 12. Jahrhundert gegründet wurde. In der Mitte des 13. Jahrhunderts entstand auf dem linken Wartheufer, der Altstadt Posen gegenüber, die deutsche NEUSTADT POSEN, in der Mitte des 14. Jahrhunderts an der Stelle des alten Bydgoszcz die deutsche Stadt BROMBERG. Alle deutschen Städte besassen DEUTSCHES oder MAGDEBURGER ECHT. Sie wählten ihren Magistrat selbst, hatten eigene Gerichtsbarkeit, verwalteten ihre städtischen Besitzungen und zahlten nur die allgemeinen königlichen Steuern. Manche unter ihnen besassen ausserdem bedeutende Vorrechte. So hatte z. B. Bromberg das Münzrecht, Posen das Stapelrecht auf alle Durchgangswaren.
In den POLNISCHEN STÄDTEN war der Starost als Vertreter des Landesherrn oder der Vogt des Edelmanns oberster Herr und Richter. Diese Städte hatten keine besonderen städtischen Besitzungen und waren auch zu den drückenden bäuerlichen Diensten und Abgaben verpflichtet. Alle größeren Städte strebten daher danach, den deutschen Städten gleichgestellt zu werden und den meisten gelang dies auch. So besassen zur Zeit Kasimirs des Grossen alle bedeutenden Städte von Gross- und Kleinpolen deutsches Recht. Handel und Gewerbe blühten empor und Abgesandte der großen Städte nahmen an den wichtigsten Reichsberatungen teil. Leider trat seit dem Tod des Kasimir III. ein feindseliges Verhalten zwischen Deutschen und Polen immer mehr hervor.
Die Zeit der Jagellonen (1386 - 1572)
Nach dem Tode Kasimirs des Grossen vereinigten sein Schwestersohn LUDWIG VON UNGARN die beiden Reiche Polen und Ungarn unter seinem Zepter. Er musste dem Adel mancherlei neue Vorrechte einräumen. Derselbe erhielt das Recht auf sämtliche einträgliche Staatsämter, wurde steuerfrei und zahlte nur eine geringe Königssteuer. Nach dem Tode Ludwigs wurde dessen jüngere Tochter HEDWIG zum "König von Polen" gekrönt und nach zweijähriger Regierung genötigt, sich mit dem Grossfürsten JAGELLO VON LITAUEN zu vermählen (1386).
JAGELLO war der Stammvater des mächtigen Herrschergeschlechts der Jagellonen. Er trat mit seinem heidnischen Litauervolke zum Christentum über und vereinigte Polen und Litauen zu einem Reich. Durch glückliche Kriege wusste er sein Reich zu vergrössern. Sehr gefährlich wurde seine Macht dem deutschen Orden, den er bei Tannenberg 1410 vollständig besiegte. Unter seinen Nachfolgern dehnte sich das Reich immer weiter aus. Es reichte von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer und war der mächtigste Staat im Osten Europas. Westpreussen und Ermland gehörten auch dazu und Ostpreussen musste die polnische Oberhoheit anerkennen.
Trotz dieser äusseren Machtstellung verfiel das Reich aber immer mehr und mehr im Inneren. Durch Kriege und drückende Zölle wurde der Handel der Städte geschädigt. Zudem waren die Handelsstrassen schlecht und unsicher. Von dem deutschen Recht ging den Städten immer mehr verloren und bei den zahlreichen Städtegründungen seitens des Adels war bald eine Stadt der anderen im Wege. Auch der Wohlstand der ländlichen Bevölkerung schwand bei der zügellosen Adelsherrschaft immer mehr dahin. Die Feindschaft gegen das Deutschtum führte zudem zu zahlreichen Versuchen, die deutschen Bauern dem Polentum zuzuführen. Viele vergassen denn auch ihre deutsche Abstammung und Sprache und nahmen polnische Namen an. Im Osten erstarkte in dieser Zeit das Grossfürstentum Moskau, der Anfang des grossen Russenreichs, welches für Polen so verhängnisvoll werden sollte.
Die Zeit des Wahlreichs (1572 - 1795)
Bereits unter den letzten Jagellonen fand auch in Polen die neue KIRCHENLEHRE Eingang, welche von Luther, Zwingli und Calvin ausging. Die meisten Städte und der größte Teil des Adels traten ihr bei. Fürst Radziwill liess die Bibel in die polnische Sprache übersetzen. Zahlreiche "BÖHMISCHE BRÜDER", welche aus Böhmen zur Zeit des Schmalkaldischen Krieges ihres Glaubens wegen vertrieben wurden, fanden in Grosspolen Aufnahme und siedelten sich besonders in den südlichen Grenzgebieten des Posener Landes an. Die Anhänger der neune Kirchenlehre erlangten durch den Reichstagsbeschluss vom Jahre 1573 Glaubensfreiheit, gleiche bürgerliche Rechte und die Zusicherung eines "ewigen Religionsfriedens". Doch bald gelang es dem Orden der JESUITEN, den weitaus grössten Teil der Bevölkerung wieder zur katholischen Kirche zurückzuführen. Fast alle Adelsfamilien kehrten zum alten Glauben zurück. Seitdem hatten die Anhänger der neuen Lehren viele Anfeindungen zu erdulden.
Die königliche Macht sank zur Zeit des Wahlreichs zu einem blossen Schatten herab. Die Wahlkönige mussten dem übermächtigen Adel so grosse Rechte und Freiheiten gewähren, dass Polen nur scheinbar ein Königtum, tatsächlich aber eine ADELSREPUBLIK war. Bei den Königswahlen trat die Käuflichkeit der Wahlstimmen immer mehr hervor und die Reichstage sind durch ihre leidenschaftlichen Unruhen und Unordnungen sprichwörtlich geworden.
Zu den ersten Wahlkönigen gehörten drei Herrscher aus dem schwedischen Königsgeschlecht der WASA. Zu ihrer Zeit wurde WARSCHAU Hauptstadt des Reiches. Durch unglückliche Kriege gingen Gebiete des Reiches an Russland und Schweden verloren. König Johann Kasimir musste im SCHWEDISCH-POLNISCHEN KRIEG (1654 - 1660) auch den Ansprüchen auf Ostpreussen entsagen, welches nunmehr der Grosse Kurfürst als unabhängiges Herzogtum erwarb.
Der bedeutendste und tüchtigste aller Wahlkönige war JOHANN SOBIESKI, ein ehemaliger polnischer Edelmann, der sich als Kronfeldherr durch glänzende Waffentaten gegen die Türken ausgezeichnet hatte. Unter seiner Herrschaft stand Polen nich einmal nach außen hin machtvoll und glänzend da. Seine größte Waffentat ist die ENTFESTUNG der STADT WIEN (1683), welcher er im Verein mit den Deutschen Rettung aus grosser Türkengefahr brachte.
Nach Sobieski wurde Kurfürst AUGUST DER STARKE König von Polen, nachdem er den katholischen Glauben angenommen hatte. Seine Genusssucht und Prachtliebe und das üppige Leben seines Hofes gereichtem dem Lande zu grossem Unsegen und fanden Nachahmung bei dem vornehmen Adel. Ungeheure Summen wurden durch masslose Verschwendung vergeudet. Viel Unglück brachte dem Lande auch der GROSSE NORDISCHE KRIEG (1700 - 1721). Die Regierungszeit der letzten Polenkönige war von inneren Parteikämpfen und Bürgerkriegen erfüllt. Russlands Einfluss in Polen wurde immer grösser. Erst zwei Jahre nach Augusts des Starken Tode gelangte sein Sohn August III. durch die Hilfe Russlands und Österreichs auf den polnischen Thron und nach seinem Tod hatte Russland bereits so viel Macht in Polen, dass die KAISERIN KATHARINA II. ihren Günstling STANISLAUS PONIATOWSKI durch Waffengewalt zum König von Polen machen konnte. Da die Parteien sich nicht einigen konnten, ausserdem der Gegensatz zwischen Katholiken und Protestanten immer schärfer hervortrat, kam es schliesslich zu einem furchtbaren Bürgerkrieg. Da vereinigten sich Russland, Österreich und Preussen im Jahr 1772 zur ERSTEN TEILUNG POLENS. Russland nahm Weissrussland, Österreich Galizien und Preussen den NETZEBEZIRK, WESTPREUSSEN (ausser den Städten Danzig und Thorn) und das ERMLAND.
Friedrich der Grosse
Der neue Länderbesitz stellte nicht nur die Verbindung zwischen dem preussischen Hauptlande und Ostpreussen her, sondern brachte auch die Herrschaft über den Weichselstrom. Das neuerworbene Land befand sich indes in einem schrecklich verwahrlosten Zustand. In einem öffentlichen Bericht vom Jahre 1773 heisst es darüber: "Durch unaufhörliche Kriege und Fehden der vergangenen Jahrhunderte, durch Feuersbrünste und Seuchen, durch mangelhafte Verwaltung war das Land entvölkert und entsittlicht". Die alten festen Städte, sogenannte Schlösser, lagen in Schutt und Trümmern, ebenso die meisten kleinen Städte und Dörfer. Der Bauernstand war ganz verkommen. Einen Bürgerstand gab es gar nicht. Die Äcker waren ausgesogen, voller Unkraut und Steine, die Wiesen versumpft, die Wälder unordentlich ausgehauen und gelichtet, das Land wüst und leer. In den meisten Städten gab es fast dreimal so viel wüste Baustellen und Gebäude. Die alten deutsche Ansiedlerstadt Bromberg zählte nur 600 ärmliche Bewohner. Einem solchen Landstriche war die Hilfe des grossen Königs die Rettung vom Untergang.
Um dem Land aufzuhelfen, beförderte Friedrich der Grosse in jeder Weise den Zuzug DEUTSCHER ANSIEDLER. Aus der Pfalz, aus Schwaben, Schlesien, Thüringen und Mecklenburg wanderten viele fleissige Ackerbauer und geschickte Handwerker ein. Der König erliess ihnen für die erste Zeit die Steuern und lieferte ihnen Vieh und Saatkorn. Die bevölkerten Städte, bauten Dörfer und machten Sand- und Bruchgegenden fruchtbar. So wurden durch die ENTWÄSSERUNG DER NETZEBRUCHLÄNDER grose Wiesenstrecken und fruchtbares Ackerland gewonnen. Auch errichtete der Königin den Städten und auf dem Lande zahlreiche Schulen und berief zum Schulrat deutsche Lehrer aus Sachsen und Schlesien. Um den Handel und Verkehr des neugewonnenen Landstrichs zu heben, richtete der König Posten ein und baute den BROMBERGER KANAL, welcher die Brahe mit der Netze und somit das Weichsel- und Odergebiet verbindet. Die dankbaren Bewohner des Netzebezirks errichteten späterhin ihrem Wohltäter ein Denkmal in der Stadt Bromberg.
Polens Untergang
Indessen eilte der Rest des polnischen Staates rasch seiner vollständigen Auflösung entgegen. Zwar versuchte man durch eine neue Verfassung die Missstände im Land zu beseitigen, verwandelte den Staat in eine erbliche Monarchie, gewährleistete Religionsfreiheit, schaffte mancherlei Vorrechte des Adels ab und gab den Städten wieder das Recht der Vertretung auf Reichstagen; aber diese neuen Gesetze fanden nicht die ungeteilte Zustimmung aller Parteien. Eine mächtige Adelspartei rief die Hilfe Russlands an, um "der Republik die ihr geraubten Freiheiten wiederzugeben". Da vereinigten sich Russland und Preussen zur ZWEITEN TEILUNG POLENS im Jahr 1793. Russland nahm wiederum weite Länderstrecken im Osten, Preussen die Gebiete von DANZIG und THORN und den grössten Teil von Grosspolen, also die grössere SÜDLICHE HÄLFTE DER PROVINZ POSEN (Südpreussen).
Doch nun flammte noch einmal der ganze Stolz und die Freiheitsliebe des polnischen Volkes auf. Der tapfere Kosciuszko trat an die Spitze der Bewegung. Ein allgemeiner Aufstand brach aus und auch das Landvolk, dem man die Aufhebung der Leibeigenschaft versprach, griff zu den Sensen und Heugabeln und schloss sich zu Tausenden dem Heere der Aufständischen an. Diese waren anfangs überall im Vorteil. Die Russen mussten Warschau und Litauen räumen und auch in Südpreussen nahm der Aufstand immer drohendere Gestalt an. Aber auf die Dauer vermochten die Polen Russlands und Preussens Übermacht doch nicht zu widerstehen. Ihre Heerhaufen erlitten nacheinander grosse Niederlagen. Endlich wurde auch der tapfere Kosciuszko vollständig geschlagen und geriet schwer verwundet in russische Gefangenschaft. Polens Ende war gekommen. Russland, Preussen und Österreich teilten den Rest des Reiches, so dass Polen ganz aus der Reihe der selbständigen Staaten verschwand. Preussen erhielt in dieser DRITTEN TEILUNG POLENS im Jahr 1795 den Rest von Grosspolen mit der Hauptstadt Warschau, sowie weitere Gebiete im Osten bis zu Bug und Njemen (Neuostpreussen).
Doch noch einmal leuchtete den Polen ein Hoffnungsstrahl. Als Napoleon I. Deutschland gedemütigt hatte, als auch Preussens Macht im unglücklichen Kriege 1806 und 1807 gebrochen schien, da ergriffen die Polen die Waffen, um sich die Freiheit zu erkämpfen. Nach dem Frieden zu Tilsit errichtete Napoleon das GROSSHERZOGTUM WARSCHAU, zu welchem auch die ganze Provinz Posen gehörte. Zum Herrscher dieses neuen Staates wurde der König von Sachsen bestimmt. Doch mit der Macht Napoleons fiel auch dieses Grossherzogtum. Im Jahre 1815 wurde es aufgelöst. Preussen erhielt von seinen früheren polnischen Besitzungen das Gebiet der Provinz Posen, die in ihren Grenzen bis nach dem ersten Weltkrieg bestehen blieb.
Die neue Zeit
Auf die vielen Kämpfe folgten Jahrzehnte der Ruhe und des Friedens. Die Regierung war unentwegt bestrebt, für das Wohl der neuen Provinz zu sorgen. Die Städte erhielten durch die neue STÄDTEORDNUNG das Recht der Selbstverwaltung; die GEWERBEFREIHEIT veranlasste einen Aufschwung der Gewerbe und durch AUFHEBUNG DER ERBUNTERTÄNIGKEIT wurde ein freier Bauernstand geschaffen. Deutsche Ansiedler machten viele Sumpfstrecken (Bachorzebruch, Obrabruch) urbar und mehrten die Erträge des Bodens durch besseren Anbau. Durch Errichtung von Schulen und Kirchen suchte die Regierung die Volksbildung zu heben. Handel und Verkehr wurden durch Anlage zahlreicher VERKEHRSSTRASSEN gefördert.
Zwar geriet die Provinz 1830, als in Russisch-Polen ein Aufstand ausbrach, etwas in Gärung und 1848 brach sogar ein offener Aufstand zugunsten des Polentums aus. Aber auch die Deutschen blieben nicht untätig. Mit Bromberg stand der ganze Netzebezirk, mit Rawitsch die südliche Grenzlandschaft auf, um die Rechte des preussischen Besitzes zu vertreten. Die Haufen der Aufständischen wurden von einem preussischen Heer zerstreut. Ruhe und Ordnung kehrten wieder in das Land zurück.
An den grossen Kämpfen von 1866 und 1870/71 haben auch die Söhne der Provinz Posen mit Heldenmut und Tapferkeit teilgenommen und so einen Teil des Dankes an die väterliche Fürsorge der Hohenzollernfürsten abgetragen.
Die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen
Nach dem ersten Weltkrieg kam die Provinz Posen in 1920 ohne Volksabstimmung an Polen. Davon ausgenommen waren Schneidemühl, der nördlich der Netze gelegene Netzekreis (Teile der Kreise Kolmar, Czarnikau und Filehne), der Kreis Schwerin (Warthe), der Kreis Meseritz und Teile der Kreise Bomst und Fraustadt. Diese ausgenommenen Teile der Provinz Posen wurden 1922 in die neue preussische Provinz Grenzmark Posen-Westpreußen eingegliedert.
Von den abgetrennten Gebieten kamen in 1938 der Netzekreis und Schneidemühl zur Provinz Pommern; der Kreis Schwerin (Warthe), der Kreis Meseritz und die Teile des Kreises Bomst zur Provinz Brandenburg; die Teile des Kreises Fraustadt zur Provinz Schlesien.
Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde bei der Aufteilung Polens in 1939 aus den an Polen abgetretenen Gebieten und einigen Kreisen Kongresspolens der Reichsgau Posen (seit 1940 Reichsgau Wartheland) gebildet. Die Kreise Bromberg und Wirsitz wurden dem Reichsgau Danzig-Westpreussen zugeordnet. Die in 1920 von Niederschlesien an Polen abgetretenen Teile der Kreise Groß Wartenberg, Guhrau, Militsch und Namslau wurden nicht an die Provinz Schlesien zurückgegliedert, sondern kamen im Süden zur Provinz Posen.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges kam der Reichsgau Wartheland an Polen. Die Gebiete, die vor dem Versailler Vertrag von 1919 zur damaligen preussischen Provinz Posen gehörten, und danach beim Deutschen Reich verblieben, wurden unter polnische Verwaltung gestellt. Die Deutsche Bevölkerung wurde aus dem Gebiet vertrieben und die Polen aus den früheren östlichen polnischen Gebieten begannen sich dort anzusiedeln.
Die unter polnischer Verwaltung stehenden Gebiete wurden durch Vertrag in 1990 von der Bundesrepublik Deutschland als völkerrechtlich zu Polen gehörig anerkannt.