Großherzogtum Hessen/Entschädigungslande

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Großherzogtum Hessen

Entschädigungslande

Reichsdeputationshauptschluß

Der Reichsdeputationshauptschluß vom 25. Februar 1803 sprach dem Landgrafen von Hessen-Darmstadt für die Grafschaft Hanau-Lichtenberg, die Aufhebung von Rechten in Wetzlar und gegenüber Frankfurt sowie für die Abtretung seines Anteils an der Niedergrafschaft Katzenellenbogen und Eppstein in § 7 „das Herzogthum Westphalen mit Zugehörden, und namentlich Volkmarsen, sammt den im genannten Herzogthume befindlichen Kapiteln, Abteyen und Klöstern", mehrere mainzische und pfälzische Ämter, Besitzungen und Einkünfte, den Rest des Bistums Worms, die Abteien Seligenstadt und Marienschloß, die Propstei Wimpfen und die Reichsstadt Friedberg zu.

Volkmarsen

Für die Corveyischen Ansprüche auf Marsberg wurde Volkmarsen durch Vergleich vom 18. März 1806 an das Haus Oranien abgetreten.

Herzogtum Westfalen erhalten

Bei den Entschädigungsverhandlungen hatte Landgraf Ludwig X. zur Abrundung seines Territoriums zunächst die Mainzer Ämter um Aschaffenburg erstrebt, erst ganz zuletzt wurde ihm statt dessen das kölnische Herzogtum Westfalen zugewiesen. Angesichts der weiten Entfernung vermochte man sich in Darmstadt erst nach einigem Zögern mit diesem Neuerwerb zu befreunden. Bereits im September 1802 wurde das Herzogtum Westfalen militärisch besetzt und am 6. Oktober provisorisch in Besitz genommen; am 16. August 1803 erfolgte die offizielle Huldigung zu Arnsberg. Mit dem 12. Oktober 1802 hatten die kurkölnischen Zentralbehörden - Revisionsgericht, Regierung im Vest Recklinghausen, Offizialat in Arnsberg und Hofkammer in Brilon - ihre Tätigkeit für das Herzogtum eingestellt; gleichzeitig nahm in Arnsberg eine hessische Organisationskommission unter Oberleitung der Darmstädter Generalkommission für die Entschädigungslande die Geschäfte auf.

Verwaltungsstruktur

Zentralbehörden für die sämtlichen Lande

  • Ministerium
  • Oberappellationsgericht
  • Gesetzgebungskommission (unter Leitung des Ministeriums des Innern)
  • Oberforstkolleg (bis 7. Januar 1804 Oberforstamt)
  • Oberkriegskolleg (bis 20. Februar 1807 Kriegskolleg)
  • Oberbaukolleg (bis 29. März 1811 Bauamt)

Povinzialverfassung

Dem Zusammenwachsen des neuen Staatsgebildes, von dessen 175 Quadratmeilen nicht einmal die Hälfte althessischer Besitz waren, diente die wohl nach badischem Muster im Herbst 1803 durchgeführte Neuordnung der Gerichts- und Verwaltungsorganisation mit der dabei entstandenen Administrations-Mittelbehörden, zunächst zuständig für die Provinzen Starkenburg (in Darmstadt), Oberhessen (in Gießen) und Westfalen (in Arnsberg). Das Organisationsedikt vom 12. Oktober 1803 teilte die Landgrafschaft in drei Provinzen ein:

Lokale Provinzialbehörden

Für jede der Provinzen werden angeordnet ein/e

  • Regierung
  • Hofgericht
  • Rentkammer (seit 12. Januar 1809 Hofkammer)
  • Kirchen- und Schulrat
  • Forstkolleg (vorübergehend)

Das neu organisierte Ministerium tritt mit dem 1. November 1803 in Tätigkeit, die Provinzialbehörden beginnen ihre Arbeit am 1. Januar 1804; über beider Geschäftsgang war gleichzeitig mit Erlaß des Organisationsedikts eine besondere Instruktion ergangen. Die unteren Staatsbehörden behielten einstweilen ihre bisherige Verfassung.

Gesamtstruktur der Verwaltung

Zentralbehörden in Darmstadt

Arnsberger Behörden für das Herzogtum Westfalen

Amtsreform

Nach der Vereinnahmung und Besetzung des Herzogtums Westfalen durch das Großherzogtum Hessen im Jahre 1803 als Entschädigungsland, führte Hessen-Darmstadt eine Verwaltungsreform durch. Die Organisationskommission befaßte sich auch mit einer Neugliederung der Ämter des Herzogtums Westfalen. Sie sollten arrondiert und etwa auf gleiche Größe an Umfang und Bevölkerungszahl gebracht werden. Am 13. August 1807 wird die Einteilung des Herzogtums in 18 Ämter (einschl. der Wittgensteinschen Ämter Laasphe und Berleburg) verkündet. Damit war im Rahmen dieser Reform im Herzogtum Westfalen die Ämterverfassung flächendeckend eingeführt. Die den Ämtern zugeschlagenen Städte und Freiheiten bleiben bis 1809 im Besitz der konkurrierenden Gerichtsbarkeit, die Patrimonialgerichte auch darüber hinaus4*. Die hergebrachten Bezeichnungen „Gerichte, Richter" usw. entfielen. Die bisherigen Verrichtungen der Amtsdrosten und ihrer Amtsverwalter waren aufgehoben. Für die Kommunalverwaltung wurden, dem Beispiel der Provinzen Hessen und Starkenburg folgend, Schultheißen angestellt.

Einige Wochen später ergeht eine Generalinstruktion für die Beamten, die seit dem 3. Juli 1812 den Titel „Justiz-Amtmänner" tragen, am 22. September 1807. Sie regelt deren Tätigkeit auf dem Gebiet der Rechtspflege und der Lokalpolizei wie auch als Exekutivbehörde. Über die Einrichtung der Amtsregistraturen folgt am 23. Februar 1808 eine eigene Instruktion. Sie sieht 14 „Glasses" vor, von denen die erste den Generalia, die zweite bis zwölfte der Zivil- und Kriminal¬rechtspflege, die dreizehnte der „Polizei" und die vierzehnte den „sonstigen Objekten der Staatsverwaltung" zugedacht sind.

Die Ämter überleben das Ende der hessischen Zeit, werden aber durch Preußen in ihrer Zuständigkeit alsbald auf die Rechtspflege beschränkt („Justiz-Ämter"). Deren Verwaltungsaufgaben gingen auf die neu eingerichteten Landratsämter über, und zwar in den Ämtern Attendorn, Balve, Belecke, Bilstein, Erwitte, Geseke, Menden, Oestinghausen, Olpe und Ruthen zum 15. April 1817, in Arnsberg, Eslohe, Fredeburg, Medebach, Meschede und Werl zum 1. Juli 1817, in den Ämtern Brilon und Marsberg zum 1. Januar 1818.

Archiv

Die nachstehend ver¬zeichneten Akten, die ganz überwiegend aus der Verwaltungstätigkeit der Ämter erwachsen sind, erstrecken sich damit bis in die erste preußische Zeit. Die Überlieferung ist sehr unterschiedlich; fünf Sechstel entfallen allein auf die Ämter Brilon, Marsberg und Medebach.

  • Landesarchiv NRW, Staatsarchiv Münster, Behörden der Übergangszeit 1802-1816, Entschädigungsländer, Großherzogtum Hessen, Bestand: Ämter
    • Umfang: 619 Aktenstücke (17 Pakete). Verzeichnung: Repertorium B 63.

Ämter

Rentämter und Rezepturen

  • Rentamt Anröchte
  • Rentamt Arnsberg
  • Rentamt Balve
  • Rentamt Benninghausen
  • Rentamt Bilstein
  • Rentamt Bredelar
  • Rezeptur Drolshagen
  • Rezeptur Ewig
  • Rentamt Glindfeld
  • Rentamt Grafschaft (Schmallenberg)
  • Rezeptur Menden
  • Rentamt Meschede
  • Rentamt Ruthen (Mülheim)
  • Rentamt Werl

Forstbehörden im Herzogtum Westfalen

  • Oberforst Arnsberg
  • Oberforst Brilon
  • Untere Forstbehörden

Bergbehörden

  • (Ober-) Bergamt Brilon / Eslohe
  • Bergamt Olpe, Kommissionsakten

Grafschaft Wittgenstein

  • Wittgensteinsche Debit- und Administrationskommission

Gießener Behörden

  • Organisationskommission, Regierung, Kirchen- und Schulrat, Hofgericht

Beitritt zun Rheinbund

Mit der Unterzeichnung der Rheinbundakte vom 12.07.1806 sagten sich einschließlich des Landgrafs von Hessen 16 süd- und westdeutsche Reichststände formell vom Reich los und schlossen sich unter dem Schutz Napoleons in einer Konförderation zusammen. Prompt wurde der Landgraf am 14.08.1806 zum Range eines Großherzogs erhoben und nannte sich als solcher Ludwig I. Durch Edikt vom 13. August 1806 erklärte er die landgräflichen Lande zum souveränen Großherzogtum und hob zum 1. Oktober des Jahres die Landstände auf. Die Rheinbundakte vom 12. Juli 1806 übertrug ihm in Artikel 24 die Souveränitätsrechte über eine Reihe bisher reichsunmittelbarer Territorien, darunter „les comtes de Wittgenstein et Berlebourg". Unter Wahrung standesherrlicher Rechte für die beiden Fürstenhäuser wurden die Wittgensteiner Grafschaften der Provinz Oberhessen angeschlossen und den Gießener Provinzialbehörden unterstellt.

Allianzbeitritt 1813

Als letzter der süddeutschen Staaten schloß sich das Großherzogtum am 2. November 1813 der antifranzösischen Allianz an, mußte sich aber am 23. November in Frankfurt zu Änderungen seines Gebietsstandes bei der bevorstehenden Neuordnung in Deutschland bereit erklären. Diese betrafen vornehmlich das Herzogtum Westfalen nebst Wittgenstein, das der Artikel 24 der Wiener Kongreßakte vom 9. Juni 1815 und der österreichisch-preußische Vertrag mit dem Großherzogtum Hessen vom folgenden Tage Preußen zusprach. In Artikel 47 der Kongreßakte wird dem Großherzog von Hessen dafür ein linksrheinisches Gebiet - das spätere Rheinhessen -mit einer Bevölkerung von 140.000 Einwohnern zuerkannt.

Westfalen an Preußen

Die Abtretung Herzogtum Westfalen nebst Wittgenstein zog sich indes bis in den Sommer 1816 hin; erst im Frankfurter Vertrag vom 30. Juni 1816 wurde sie im einzelnen geregelt. Dieser Vertrag behandelte auch die Auslieferung der Westfalen und Wittgenstein betreffenden Akten. Die finanzielle Auseinandersetzung zwischen Preußen und Hessen zog sich bis zum 12. März 1817 hin.

Nachdem Großherzog Ludwig am 7. Juli 1816 den westfälischen Herzogstitel abgelegt hatte, um sich im Hinblick auf seine neue Provinz Rheinhessen fortan Großherzog von Hessen „und bei Rhein" zu nennen, entließ er die westfälischen Lande und Wittgenstein am 8. Juli aus dem hessischen Staats¬verband. Vom 15. Juli 1816 datiert das preußische Besitzergreifungspatent; am gleichen Tage übernahm Oberpräsident von Vincke von Hofkammerdirektor von Kopp und Regierungsrat Haberkorn in Arnsberg das Herzogtum Westfalen, während die Wittgensteiner Grafschaften am 18. Juli in Berleburg und am 19. Juli in Laasphe durch Regierungsrat Peter Joseph von Bigeleben übernommen wurden. Zum 31. Juli stellten die Arnsberger Provinzialbehörden bis auf das Hofgericht ihre Tätigkeit ein; am 1. August 1816 nahm die neue preußische Regierung ihre Arbeit auf.

Archive

  • Landesarchiv NRW, Staatsarchiv Münster, Behörden der Übergangszeit 1802-1816, Entschädigungsländer, Großherzogtum Hessen.
    • Umfang: 5000 Aktenstücke (188 Pakete)
      • Findbuch B 60 (Übersicht , Index)
      • Findbuch B 61 (Zentralbehörden zu Darmstadt)
      • Findbuch B 62 (Provinzialbehörden in Arnsberg und Gießen)
      • Findbuch B 63 (Unter- und Spezialbehörden, Kataster, Edikte)

Bibliografie

  • Archiv für hessische Geschichte und Altertumskunde N. F. 7, Darmstadt 1910.
  • Arnsbergisches Intelligenzblatt, Jahrgänge 1802 bis 1816.
  • Carl Christian Eigenbrodt: Handbuch der Großherzoglich Hessischen Verordnungen vom Jahre 1803 an, Bd. 1-4, Darmstadt 1816-1818.
  • Dieterich, J. R.: Die Politik Landgraf Ludwig X. von Hessen-Darmstadt von 1790-1806, in: Korrespondenzblatt des Gesamtvereins der deutschen Geschichts- und Alter¬tumsvereine 58, 1910;
  • Dupuis, B. Bemerkungen und Übersicht über den Zustand des Archiv- und Registraturwesens im Herzogtum Westfalen im Jahre 1816, in: Westfälische Zeitschrift 51, 1893, II S. 97-120.
  • Fink, Georg, Geschichte des Hessischen Staatsarchivs zu Darmstadt, Darmstadt 1925 .
  • Großherzoglich Hessischer Militair-, Hof- und Civil-Etat vom Jahr 1810; desgl. 1811.
  • Großherzoglich Hessischer Civil-Etat mit angehängtem Amts- und Ortsregister vom Jahr 1812.
  • Großherzoglich Hessische Zeitung auf das Jahr 1806 (ab August); desgl. 1807 bis 1816.
  • Hessen-Darmstädtische Landzeitung auf das Jahr 1802; desgl. 1803 bis 1806 (Juli).
  • Kochendörffer, Heinrich, Der Übergang des Herzogtums Westfalen und der Grafschaften Wittgenstein an Preußen, in: Westfälisches Adelsblatt 5, 1928.
  • Koester, Ludwig Albert Wilhelm Systematisches Repertorium über die für das Herzogtum Westfalen bis Ende 1812 erlassenen Gesetze, Verfügungen usw., Arnsberg 1813.
  • Koester, Ludwig Albert Wilhelm Chronologisches Verzeichnis der für das Herzogtum Westfalen bis Ende 1812 erlassenen, in die Polizeiverordnung und Ediktensammlung nicht eingerückten Gesetze, Verfügungen usw., Arnsberg 1814.
  • Landgräflich Hessischer Staats-und Adreßkalender auf das Jahr 1804; desgl. 1805,1806.
  • Liedhegener, Clemens: Die Behörden-, insbesondere die Ämterorganisation im Herzogtum Westfalen unter Hessen-Darmstadt, in: Zeitschrift Westfalen 18, 1933.
  • Runde, Justus Friedrich, Über die Erhaltung der öffentlichen Verfassung in den Entschädigungsländern nach dem Deputationshauptschluß vom 25. 2. 1803 mit Anwendung auf das Herzogthum Westphalen, Göttingen 1805.
  • Schöne, Manfred „Herzogtum Westfalen unter hessischer Herrschaft 1802-1816" (Dissertation, Bonn, 1965)
  • Schöne, Manfred „Kreis Olpe unter hessischer Herrschaft 1802-1816" in (Heimatstimmen aus dem Kr. Olpe 52. Folge, 1963, Nr. 3 S. 124-127).
  • Scotti, J.J.: Sammlung der Gesetze und Verordnungen, welche in dem vormaligen Churfürstenthum Cöln ergangen sind vom Jahre 1463 bis 1816. Zweite Abteilung, landgräflich und großherzoglich Hessen-Darmstädtische Gesetzgebung für das Herzogthum Westphalen (2 Teile), Düsseldorf 1831.