Kurschen (Kreis Pillkallen): Unterschied zwischen den Versionen

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Das Dorf Kurschen <ref>Als Dorf Kurschen erstmals 1633 genannt. Ortsnamen  vermutlich nach litauischen Personennamen Kurszait, Kurszat, Kurszus (lit.kurszys = Kure). Der Ortsname wurde 1938 nicht geändert.
Das Dorf Kurschen <ref>Als Dorf Kurschen erstmals 1633 genannt. Ortsnamen  vermutlich nach litauischen Personennamen Kurszait, Kurszat, Kurszus (lit.kurszys = Kure). Der Ortsname wurde 1938 nicht geändert.
Lage: 9 km Luftlinie nördlich von Schloßberg; MTB1.11101 (Grumbkowsfelde) - Nicht verwechseln mit Kurschen alias Pappuduppen (liegt 24 km Luftlinie nordwestlich), Kirchspiel Budwethen (ab 1938 Neusiedel), Domänenamt Lesgewangminnen (ab 1938 Lesgewangen), später Landkreis Ragnit.</ref> wurde 1633 erstmals als Dorf vom Schulzenamt Uszpiaunen <ref>Uszpiaunen = ab 1936 Uschpiaunen = ab 1938 Kiesdorf</ref>, das zum Hauptamt [[Ragnit]] gehörte, geschichtlich erwähnt. Der Ortsname ist vermutlich auf den litauischen Personennamen Kurszait (Kurszat, Kurszus) zurückzufuhren; lit. kurszys - Kure. Als 1708 die große Pest ausbrach und im Jahre 1710 ihren Höhepunkt erreichte, starb 72% der Bevölkerung von Kurschen an dieser furchtbaren Seuche. Im Königlichen Bauerndorf blieben von der Gesamtfläche von 18,20 Huben (18 Huben 20 Morgen) 13,13 Huben (13 Huben 13 Morgen) Ackerland wüst; d. h. unbearbeitet. Die Verluste durch die Pest wurden 1719 in den Hubenschoßprotokollen aufgelistet. Danach lebten 1719 im Dorf 7 Scharwerksbauern  und 1 Zinsbauer , der nach der Pest angesetzt wurde. Nach der Auflösung der Haupt- und Schulzenämter  im Jahre 1923 übernahmen die durch König Friedrich Wilhelm I., der Soldartenkönig, neugegründeten Domänenämter die Verwaltungsaufgaben. Im gleichen Jahr wurde auch die „litauische Deputation" geschaffen, die die Peuplierung (Besiedlung des Landes) zu ihrer Hauptaufgabe machte. Aus der „litauischen Deputation" bildete sich eine Domänenkammer mit Sitz in Gumbinnen, aus der später der Regierungsbezirk Gumbinnen entstand. Das Dorf Kurschen kam 1723 zum Domänenamt Grumbkowkaiten <ref> Grumbkowkaiten = ab 1938 Grumbkowsfelde = ab 1946 Правдино, Pravdino</ref>. 1746 wohnten im Ort 1 deutscher Amtsbauer (Braunschweiger) und 10 lithauische Amtsbauern. Die weitere Entwicklung des Dorfes geht aus den nachstehenden Prästationstabellen und Mühlenkonsignationen hervor.
Lage: 9 km Luftlinie nördlich von Schloßberg; MTB1.11101 (Grumbkowsfelde) - Nicht verwechseln mit Kurschen alias Pappuduppen (liegt 24 km Luftlinie nordwestlich), Kirchspiel Budwethen (ab 1938 Neusiedel), Domänenamt Lesgewangminnen (ab 1938 Lesgewangen), später Landkreis Ragnit.</ref> wurde 1633 erstmals als Dorf vom Schulzenamt Uszpiaunen <ref>Uszpiaunen = ab 1936 Uschpiaunen = ab 1938 Kiesdorf</ref>, das zum Hauptamt [[Ragnit]] gehörte, geschichtlich erwähnt. Der Ortsname ist vermutlich auf den litauischen Personennamen Kurszait (Kurszat, Kurszus) zurückzufuhren; lit. kurszys - Kure. Als 1708 die große Pest ausbrach und im Jahre 1710 ihren Höhepunkt erreichte, starb 72% der Bevölkerung von Kurschen an dieser furchtbaren Seuche. Im Königlichen Bauerndorf blieben von der Gesamtfläche von 18,20 Huben (18 Huben 20 Morgen) 13,13 Huben (13 Huben 13 Morgen) Ackerland wüst; d. h. unbearbeitet. Die Verluste durch die Pest wurden 1719 in den Hubenschoßprotokollen aufgelistet. Danach lebten 1719 im Dorf 7 Scharwerksbauern  und 1 Zinsbauer , der nach der Pest angesetzt wurde. Nach der Auflösung der Haupt- und Schulzenämter  im Jahre 1923 übernahmen die durch König Friedrich Wilhelm I., der Soldartenkönig, neugegründeten Domänenämter die Verwaltungsaufgaben. Im gleichen Jahr wurde auch die „litauische Deputation" geschaffen, die die Peuplierung (Besiedlung des Landes) zu ihrer Hauptaufgabe machte. Aus der „litauischen Deputation" bildete sich eine Domänenkammer mit Sitz in Gumbinnen, aus der später der Regierungsbezirk Gumbinnen entstand. Das Dorf Kurschen kam 1723 zum Domänenamt Grumbkowkaiten <ref> Grumbkowkaiten = ab 1938 Grumbkowsfelde = ab 1946 Правдино, Pravdino</ref>. 1746 wohnten im Ort 1 deutscher Amtsbauer (Braunschweiger) und 10 lithauische Amtsbauern. Die weitere Entwicklung des Dorfes geht aus den nachstehenden Prästationstabellen und Mühlenkonsignationen hervor.
=== Neuzeit ===
Das Bauerndorf Kurschen liegt 9 Kilometer nördlich der Kreisstadt [[Pillkallen|Schloßberg]] <ref> Schloßberg = vor 1938 Pillkallen = ab 1946 Добровольск, Dobrovol'sk</ref>. Die nächste Kleinbahnstation befand sich bis zur Flucht der gesamten Bevölkerung vor den Russen im Jahre 1944 im 3 Kilometer entfernt liegenden Grumbkowsfelde. Die nach¬folgende detaillierte Ortsbeschreibung erstellte größtenteils Martin Rathke.
Die durch den Ort führende Dorfstraße verlief in westlicher Richtung über Ebenhausen <ref> Ebenhausen = vor 1938 Kallnehlischken = ab 1946 Измайлово, Ismajlowo</ref> zur Landstraße Nr. 180 (2,5 km), die von Schloßberg nach Haselberg <ref> Haselberg = vor 1938 Lasdehnen = ab 1946 Краснознаменск, Krasnoznamensk</ref> verlief und in den Jahren 1858 bis 1867 gebaut wurde. Die Kiesstraße durch Kurschen überquerte über Betonröhren im Dorf den Renneckebach (Nebenfluss der Inster) und teilte den Ort in zwei Teile. Diese Brücke entstand kurz vor oder während des 1. Weltkrieges 1914/18. Weitere Brücken und Stege aus Holz überquerten den Renneckebach als Überfahrten zu den Feldern der Höfe. Bei Hochwasser, besonders im Frühjahr bei der Schneeschmelze, wurden die Holzbrücken fortgeschwemmt oder demoliert, Stege brachte man vorher in Sicherheit. Zu einer landschaftlichen Besonderheit muss der Kiesberg genannt werden. Dieser wurde nach dem 1. Weltkrieg angefahren zum Bau einer Straße. Er liegt im Ortszentrum am Weg zu einem Abbau, der zu Talwiesen <ref> Talwiesen = vor 1936 Uszrudszen = 1936 -1938 Uschrudschen = ab 1946 Шатилово, Schatilowo</ref> gehört. Der Kiesberg hat eine Länge von 50 m, eine Höhe von 10 m und einer Breite von 15 m und beinhaltete ca. 7.500 cm3 Kies. Im Winter diente der Berg für die Kinder als Rodelberg, zu Ostern rollten hier die von Erwachsenen gebauten Osterräder hinab und zur Sonnenwende feierten sie Johanni.
Im Ortsmittelpunkt stand ein ca. 1780 erbautes strohgedecktes Holzgehöft, bestehend aus Gasthaus und Kolonialwarenladen, Stall und Scheune. Das Gehöft gehörte bis 1932 Petokat. Danach, nach Angaben von Martin Rathke, übernahm Karl Vetter die Wirtschaft und den Laden, nach dessen Tod seine Witwe Agnes Vetter. Unweit des Gasthauses lagen die größten Höfe von Kurschen, das Gut Gerhard Palfner und der Hof von Franz Rathke. Der Gutsgarten und der Bauerngarten von Rathke waren recht alt und parkartig angelegt. In den Gärten standen vorwiegend Linden, Fichten, Erlen und Birken. Am Renneckebach hatten sich verschiedene Baumarten angesiedelt. Auffallend war der alte Friedhof, der auf einem Hügel an der östlichen Gemeindegrenze lag. Er war mit Bäumen und Strauchwerk wild verwachsen. Füchse und Dachse hatten hier ihre Höhlen eingerichtet. Dies führte dazu, dass oft Menschenschädel und Knochen der verstorbenen Kurscher Bürger herausgescharrt wurden. Der neue Friedhof lag am Ortsausgang nach Ebenhausen <ref> Ebenhausen = vor 1938 Kallnehlischken = ab 1946 Измайлово, Ismajlowo</ref>. Zum Ortsbild gehörten auch die Storchennester. Auf den Dächern von Palfner und Rathke nisteten drei Storchenpaare. Auffallend war, dass auch in den Pappelbäumen längs der Straße zur Ortsgrenze in Richtiung Grumbkowsfelde Störche ihre Nester hatten.
Kurschen war ein Bauerndorf, in dem 12 landwirtschaftliche Betriebe die Nutzfläche bewirtschafteten, 11 Höfe von 1 bis 15 Hektar und zwei Betriebe von 80 bis 230 Hektar. Die Bodenbeschaffenheit war mittelmäßig. Einige Ländereien besaßen gute Qualität, andere, sehr stark lehmige Hügel, waren sehr schwer zu bearbeiten und brachten schlechte Erträge. Im Schnitt könnte man von sandigem Lehm- bis zu schwerstem Lehm- bis Tonboden sprechen. Daher war die Bodenbearbeitung äußerst schwer und für die Gespanne kräfteaufreibend und verschleißend. Später wurde durch den Einsatz von Traktoren bei Palfner und Rathke die Bearbeitung der Ländereien günstiger und leichter. Bevorzugt angebaut wurde neben Roggen als Brotgetreide, Weizen und Hafer oder Gemenge. Daneben waren aber auch große Flä¬chen als Weideland mit zum Teil guten Koppelweiden für Milchkühe vorhanden. Futterrübenerträge waren wechselnd und Kartoffeln wurden nur für den eigenen Bedarf, für Mastschweine und Haushalt, angebaut. Getreideanbau, Milchviehhaltung und Mastviehproduktion, das war die Reihenfolge der Einnahmen in den bäuerlichen Betrieben. Andreas Palfner, nach 1930 Gerhard Palfner, züchteten Pferde für den eigenen Nachwuchs der Gespanne. Die Betriebe Palfner und Rathke züchteten das schwarzweiße Tieflandrind und waren Mitglieder des Ostpreußischen Herdbuchverbandes.
Kurschen hatte keinen elektrischen Strom. Bauer Friedrich Szutzkus arbeitete im Nebenerwerb als Schuhmacher. Der Hof Palfner hatte eine Gutsschmiede mit dem Schmied und Treckerfahrer Albert Berger. Zum Mahlen von Getreide für den Eigenbedarf besaß das Gut eine Windturbine, die auch zum Wasserpumpen und Häckselschneiden diente.
Die Gemeindeverwaltung lag in den Händen von Gerhard Palfner. Da er als Offizier während des Krieges oft abwesend war, vertraten ihn mein Vater Franz Rathke und Otto Hantel. Der Dienstraum war der jeweilige Wohnraum des Gemeindevorstehers (Bürgermeisters). Kirchlich war Kurschen an Schlo߬berg angeschlossen. Wir hatten aber eine Predigerstelle des Schloßbergers Pfarrers Horn in der Nachbar¬gemeinde Siedlerfelde <ref> Siedlerfelde = bis 1938 Kurschehlen = ab 1946 Новосёлово, Nowossjolowo</ref> im ehemaligen Domänenpächterhaus. Der Konfirmandenunterricht fand in Schloßberg statt. Eine kleine Baptistengemeinde befand sich bei Otto Hantel.
Die Gemeinde besaß keine Poststelle. Die tägliche Postzustellung erfolgte durch den Posthalter in Mühlenhöhe <ref> Mühlenhöhe = bis 1936 Groß Rudszen = ab 1936 Groß Rudschen = ab 1946 Полтавское, Poltavskoe
</ref>. Durch Kurschen fuhr auch keine Kraftpostlinie. Der nächste Haltepunkt der Strecke Schloßberg — Haselberg befand sich im 4 km entfernten Mühlenhöhe. In Kurschen hatten Gutsbesitzer Gerhard Palfner, Gastwirtschaft Agnes Vetter und Lehrer Kurt Mertins einen Telefonanschluß. Da es im Dorf keine Freiwillige Feuerwehr gab, mussten im Brandfall die Dorfbewohner die Brandbekämpfung einleiten. Ein Fußballverein bestand in den Jahren 1930-1934. Weitere Ortsvereine gab es nicht, zumal nach 1933 eigene Interessengemeinschaften durch den Nationalsozialismus unterbunden wurden. Das Leben auf dem Lande war mit viel schwerer und harter Arbeit verbunden, für Vereinstätigkeiten blieb wenig Zeit übrig. Alle Bewohner mussten ihr Brot mit ihrer Hände Arbeit in der Landwirtschaft verdienen. Besondere Sitten und Gebräuche kannten die Bewohner von Kurschen nicht. Bei Familienfeiern war das Singen von Volks- und Kirchenliedern sowie das Deklarieren von Gedichten und das Spielen kleiner Theaterstücke die Regel.
Im 1. Weltkrieg fanden in Kurschen Kämpfe statt. An allen Gebäuden entstanden durch Brand Schä¬den. Unser Hof wurde auch stark in Mitleidenschaft gezogen durch das Abbrennen eines Stalles, der Scheune, des Insthauses und eines kleinen Stalles. Im Insthaus wohnten die sogenannten Deputanten, das waren ständige Arbeiter des Hofes, die vorwiegend durch Deputat - Milch, Kartoffelland, Getreide, Brenn- und Heizmaterial, Gartenland und freies Wohnen - entlohnt wurden. Der plötzliche und von der Bevölkerung nicht so schnell erwartete Einmarsch der Russen hatte auch die Kurscher Bürger so über¬rascht, dass ihnen eine schnelle Flucht nicht mehr gelang. Zahlreiche Ortsbewohner wurden von Kosa¬ken nach Sibirien verschleppt (siehe Schulchronik Kurschen). Der Aufbau der verwüsteten Kurscher Höfe fand gleich nach dem Kriege unter unsäglichen finanziellen und körperlichen Anstrengungen statt. Reste der Kosten bereiteten unseren Vätern noch Jahrzehnte Sorgen.



Version vom 12. Januar 2012, 15:21 Uhr

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Hierarchie

Regional > Russische Föderation > Kaliningrader Oblast >Kurschen (Kreis Pillkallen)


Regional > Historisches Territorium > Deutschland 1871-1918 > Königreich Preußen > Ostpreußen > Kreis Pillkallen > Kurschen (Kreis Pillkallen)


Einleitung

Kurschen (Kreis Pillkallen), Kreis Pillkallen, Ostpreußen.

Allgemeine Information

Politische Einteilung

Kurschen (Kreis Pillkallen)


Kirchliche Zugehörigkeit

Evangelische Kirche

Katholische Kirche

Standesamt

Geschichte

Vorgeschichte

Das Dorf Kurschen [1] wurde 1633 erstmals als Dorf vom Schulzenamt Uszpiaunen [2], das zum Hauptamt Ragnit gehörte, geschichtlich erwähnt. Der Ortsname ist vermutlich auf den litauischen Personennamen Kurszait (Kurszat, Kurszus) zurückzufuhren; lit. kurszys - Kure. Als 1708 die große Pest ausbrach und im Jahre 1710 ihren Höhepunkt erreichte, starb 72% der Bevölkerung von Kurschen an dieser furchtbaren Seuche. Im Königlichen Bauerndorf blieben von der Gesamtfläche von 18,20 Huben (18 Huben 20 Morgen) 13,13 Huben (13 Huben 13 Morgen) Ackerland wüst; d. h. unbearbeitet. Die Verluste durch die Pest wurden 1719 in den Hubenschoßprotokollen aufgelistet. Danach lebten 1719 im Dorf 7 Scharwerksbauern und 1 Zinsbauer , der nach der Pest angesetzt wurde. Nach der Auflösung der Haupt- und Schulzenämter im Jahre 1923 übernahmen die durch König Friedrich Wilhelm I., der Soldartenkönig, neugegründeten Domänenämter die Verwaltungsaufgaben. Im gleichen Jahr wurde auch die „litauische Deputation" geschaffen, die die Peuplierung (Besiedlung des Landes) zu ihrer Hauptaufgabe machte. Aus der „litauischen Deputation" bildete sich eine Domänenkammer mit Sitz in Gumbinnen, aus der später der Regierungsbezirk Gumbinnen entstand. Das Dorf Kurschen kam 1723 zum Domänenamt Grumbkowkaiten [3]. 1746 wohnten im Ort 1 deutscher Amtsbauer (Braunschweiger) und 10 lithauische Amtsbauern. Die weitere Entwicklung des Dorfes geht aus den nachstehenden Prästationstabellen und Mühlenkonsignationen hervor.

Neuzeit

Das Bauerndorf Kurschen liegt 9 Kilometer nördlich der Kreisstadt Schloßberg [4]. Die nächste Kleinbahnstation befand sich bis zur Flucht der gesamten Bevölkerung vor den Russen im Jahre 1944 im 3 Kilometer entfernt liegenden Grumbkowsfelde. Die nach¬folgende detaillierte Ortsbeschreibung erstellte größtenteils Martin Rathke.

Die durch den Ort führende Dorfstraße verlief in westlicher Richtung über Ebenhausen [5] zur Landstraße Nr. 180 (2,5 km), die von Schloßberg nach Haselberg [6] verlief und in den Jahren 1858 bis 1867 gebaut wurde. Die Kiesstraße durch Kurschen überquerte über Betonröhren im Dorf den Renneckebach (Nebenfluss der Inster) und teilte den Ort in zwei Teile. Diese Brücke entstand kurz vor oder während des 1. Weltkrieges 1914/18. Weitere Brücken und Stege aus Holz überquerten den Renneckebach als Überfahrten zu den Feldern der Höfe. Bei Hochwasser, besonders im Frühjahr bei der Schneeschmelze, wurden die Holzbrücken fortgeschwemmt oder demoliert, Stege brachte man vorher in Sicherheit. Zu einer landschaftlichen Besonderheit muss der Kiesberg genannt werden. Dieser wurde nach dem 1. Weltkrieg angefahren zum Bau einer Straße. Er liegt im Ortszentrum am Weg zu einem Abbau, der zu Talwiesen [7] gehört. Der Kiesberg hat eine Länge von 50 m, eine Höhe von 10 m und einer Breite von 15 m und beinhaltete ca. 7.500 cm3 Kies. Im Winter diente der Berg für die Kinder als Rodelberg, zu Ostern rollten hier die von Erwachsenen gebauten Osterräder hinab und zur Sonnenwende feierten sie Johanni.

Im Ortsmittelpunkt stand ein ca. 1780 erbautes strohgedecktes Holzgehöft, bestehend aus Gasthaus und Kolonialwarenladen, Stall und Scheune. Das Gehöft gehörte bis 1932 Petokat. Danach, nach Angaben von Martin Rathke, übernahm Karl Vetter die Wirtschaft und den Laden, nach dessen Tod seine Witwe Agnes Vetter. Unweit des Gasthauses lagen die größten Höfe von Kurschen, das Gut Gerhard Palfner und der Hof von Franz Rathke. Der Gutsgarten und der Bauerngarten von Rathke waren recht alt und parkartig angelegt. In den Gärten standen vorwiegend Linden, Fichten, Erlen und Birken. Am Renneckebach hatten sich verschiedene Baumarten angesiedelt. Auffallend war der alte Friedhof, der auf einem Hügel an der östlichen Gemeindegrenze lag. Er war mit Bäumen und Strauchwerk wild verwachsen. Füchse und Dachse hatten hier ihre Höhlen eingerichtet. Dies führte dazu, dass oft Menschenschädel und Knochen der verstorbenen Kurscher Bürger herausgescharrt wurden. Der neue Friedhof lag am Ortsausgang nach Ebenhausen [8]. Zum Ortsbild gehörten auch die Storchennester. Auf den Dächern von Palfner und Rathke nisteten drei Storchenpaare. Auffallend war, dass auch in den Pappelbäumen längs der Straße zur Ortsgrenze in Richtiung Grumbkowsfelde Störche ihre Nester hatten. Kurschen war ein Bauerndorf, in dem 12 landwirtschaftliche Betriebe die Nutzfläche bewirtschafteten, 11 Höfe von 1 bis 15 Hektar und zwei Betriebe von 80 bis 230 Hektar. Die Bodenbeschaffenheit war mittelmäßig. Einige Ländereien besaßen gute Qualität, andere, sehr stark lehmige Hügel, waren sehr schwer zu bearbeiten und brachten schlechte Erträge. Im Schnitt könnte man von sandigem Lehm- bis zu schwerstem Lehm- bis Tonboden sprechen. Daher war die Bodenbearbeitung äußerst schwer und für die Gespanne kräfteaufreibend und verschleißend. Später wurde durch den Einsatz von Traktoren bei Palfner und Rathke die Bearbeitung der Ländereien günstiger und leichter. Bevorzugt angebaut wurde neben Roggen als Brotgetreide, Weizen und Hafer oder Gemenge. Daneben waren aber auch große Flä¬chen als Weideland mit zum Teil guten Koppelweiden für Milchkühe vorhanden. Futterrübenerträge waren wechselnd und Kartoffeln wurden nur für den eigenen Bedarf, für Mastschweine und Haushalt, angebaut. Getreideanbau, Milchviehhaltung und Mastviehproduktion, das war die Reihenfolge der Einnahmen in den bäuerlichen Betrieben. Andreas Palfner, nach 1930 Gerhard Palfner, züchteten Pferde für den eigenen Nachwuchs der Gespanne. Die Betriebe Palfner und Rathke züchteten das schwarzweiße Tieflandrind und waren Mitglieder des Ostpreußischen Herdbuchverbandes.

Kurschen hatte keinen elektrischen Strom. Bauer Friedrich Szutzkus arbeitete im Nebenerwerb als Schuhmacher. Der Hof Palfner hatte eine Gutsschmiede mit dem Schmied und Treckerfahrer Albert Berger. Zum Mahlen von Getreide für den Eigenbedarf besaß das Gut eine Windturbine, die auch zum Wasserpumpen und Häckselschneiden diente.

Die Gemeindeverwaltung lag in den Händen von Gerhard Palfner. Da er als Offizier während des Krieges oft abwesend war, vertraten ihn mein Vater Franz Rathke und Otto Hantel. Der Dienstraum war der jeweilige Wohnraum des Gemeindevorstehers (Bürgermeisters). Kirchlich war Kurschen an Schlo߬berg angeschlossen. Wir hatten aber eine Predigerstelle des Schloßbergers Pfarrers Horn in der Nachbar¬gemeinde Siedlerfelde [9] im ehemaligen Domänenpächterhaus. Der Konfirmandenunterricht fand in Schloßberg statt. Eine kleine Baptistengemeinde befand sich bei Otto Hantel.

Die Gemeinde besaß keine Poststelle. Die tägliche Postzustellung erfolgte durch den Posthalter in Mühlenhöhe [10]. Durch Kurschen fuhr auch keine Kraftpostlinie. Der nächste Haltepunkt der Strecke Schloßberg — Haselberg befand sich im 4 km entfernten Mühlenhöhe. In Kurschen hatten Gutsbesitzer Gerhard Palfner, Gastwirtschaft Agnes Vetter und Lehrer Kurt Mertins einen Telefonanschluß. Da es im Dorf keine Freiwillige Feuerwehr gab, mussten im Brandfall die Dorfbewohner die Brandbekämpfung einleiten. Ein Fußballverein bestand in den Jahren 1930-1934. Weitere Ortsvereine gab es nicht, zumal nach 1933 eigene Interessengemeinschaften durch den Nationalsozialismus unterbunden wurden. Das Leben auf dem Lande war mit viel schwerer und harter Arbeit verbunden, für Vereinstätigkeiten blieb wenig Zeit übrig. Alle Bewohner mussten ihr Brot mit ihrer Hände Arbeit in der Landwirtschaft verdienen. Besondere Sitten und Gebräuche kannten die Bewohner von Kurschen nicht. Bei Familienfeiern war das Singen von Volks- und Kirchenliedern sowie das Deklarieren von Gedichten und das Spielen kleiner Theaterstücke die Regel.

Im 1. Weltkrieg fanden in Kurschen Kämpfe statt. An allen Gebäuden entstanden durch Brand Schä¬den. Unser Hof wurde auch stark in Mitleidenschaft gezogen durch das Abbrennen eines Stalles, der Scheune, des Insthauses und eines kleinen Stalles. Im Insthaus wohnten die sogenannten Deputanten, das waren ständige Arbeiter des Hofes, die vorwiegend durch Deputat - Milch, Kartoffelland, Getreide, Brenn- und Heizmaterial, Gartenland und freies Wohnen - entlohnt wurden. Der plötzliche und von der Bevölkerung nicht so schnell erwartete Einmarsch der Russen hatte auch die Kurscher Bürger so über¬rascht, dass ihnen eine schnelle Flucht nicht mehr gelang. Zahlreiche Ortsbewohner wurden von Kosa¬ken nach Sibirien verschleppt (siehe Schulchronik Kurschen). Der Aufbau der verwüsteten Kurscher Höfe fand gleich nach dem Kriege unter unsäglichen finanziellen und körperlichen Anstrengungen statt. Reste der Kosten bereiteten unseren Vätern noch Jahrzehnte Sorgen.




Verschiedenes

Karten

Internetlinks

Daten aus dem genealogischen Ortsverzeichnis

GOV-Kennung KURHENKO14GU
Name
  • Kurschen Quelle (${p.language})
  • Куршен (1945) Quelle (${p.language})
  • Архангельское (1946 -) Quelle (${p.language})
Typ
  • Wohnplatz
Postleitzahl
  • RUS-238735 (1993)
w-Nummer
  • 50238
Karte
   
Zugehörigkeit
Übergeordnete Objekte

Prawdinskij Dorfsowjet, Правдинский сельский Совет (1993) ( Dorfrat) Quelle

Pillkallen (1907) ( Kirchspiel) Quelle S.222/223

Bilderweitschen, Bilderweiten, Bilderweiten (Maria unbefleckte Empfängnis) (1907) ( Pfarrei) Quelle S.222/223

Kurschen (- 1945) ( LandgemeindeGemeinde) Quelle

Untergeordnete Objekte
Name Typ GOV-Kennung Zeitraum


Куршен Kuršen Архангельское Archangelskoe Arhangel'skoe

  1. Als Dorf Kurschen erstmals 1633 genannt. Ortsnamen vermutlich nach litauischen Personennamen Kurszait, Kurszat, Kurszus (lit.kurszys = Kure). Der Ortsname wurde 1938 nicht geändert. Lage: 9 km Luftlinie nördlich von Schloßberg; MTB1.11101 (Grumbkowsfelde) - Nicht verwechseln mit Kurschen alias Pappuduppen (liegt 24 km Luftlinie nordwestlich), Kirchspiel Budwethen (ab 1938 Neusiedel), Domänenamt Lesgewangminnen (ab 1938 Lesgewangen), später Landkreis Ragnit.
  2. Uszpiaunen = ab 1936 Uschpiaunen = ab 1938 Kiesdorf
  3. Grumbkowkaiten = ab 1938 Grumbkowsfelde = ab 1946 Правдино, Pravdino
  4. Schloßberg = vor 1938 Pillkallen = ab 1946 Добровольск, Dobrovol'sk
  5. Ebenhausen = vor 1938 Kallnehlischken = ab 1946 Измайлово, Ismajlowo
  6. Haselberg = vor 1938 Lasdehnen = ab 1946 Краснознаменск, Krasnoznamensk
  7. Talwiesen = vor 1936 Uszrudszen = 1936 -1938 Uschrudschen = ab 1946 Шатилово, Schatilowo
  8. Ebenhausen = vor 1938 Kallnehlischken = ab 1946 Измайлово, Ismajlowo
  9. Siedlerfelde = bis 1938 Kurschehlen = ab 1946 Новосёлово, Nowossjolowo
  10. Mühlenhöhe = bis 1936 Groß Rudszen = ab 1936 Groß Rudschen = ab 1946 Полтавское, Poltavskoe