Landkreis Neisse/Fluchtberichte: Unterschied zwischen den Versionen

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Als die Borkendorfer und Groß- Kunzendorfer in Giersdorf ankamen, setzten sich ca. 2000 Menschen über den Ziegenhal-ser Berg Richtung Osten in Bewegung. Sie hatten Angst, dass die Reise nach Rußland geht. In Ziegenhals war die Bielebrücke gesprengt und alle mussten durch das knietiefe Wasser gehen.Viele Handwagen blieben vor dem Fluß stehen. Hinter der Stadt ging es auf der Reich-straße nach Westen, über Deutsch-Wette Richtung Neisse weiter.
Als die Borkendorfer und Groß- Kunzendorfer in Giersdorf ankamen, setzten sich ca. 2000 Menschen über den Ziegenhal-ser Berg Richtung Osten in Bewegung. Sie hatten Angst, dass die Reise nach Rußland geht. In Ziegenhals war die Bielebrücke gesprengt und alle mussten durch das knietiefe Wasser gehen.Viele Handwagen blieben vor dem Fluß stehen. Hinter der Stadt ging es auf der Reich-straße nach Westen, über Deutsch-Wette Richtung Neisse weiter.
Das erste Nachtlager war eine nasskalte Wiese vor Alt-Wette.
Das erste Nachtlager war eine nasskalte Wiese vor Alt-Wette.  
 
Am nächsten Morgen waren alle durchgefroren und es ging ohne Frühstück bis zu der Stelle, wo heute noch das Kreuz steht.
Der Milizer, der am Vortag den Pfarrer Kolbe getreten hatte, setzte sich auf einen
Straßenstein, um sich eine Zigarette zu drehen. Als er damit fertig war, sprang er
vom Stein herunter auf eine Mine. Nach der Detonation lag er tot an der Böschung,
beide Beine abgesprengt- „Gott vergelts".
 
Ein Pferdewagen, auf dem alte Leute und Kinder saßen, wurde zerrissen.
24 Personen vom Treck sind getötet worden. Aus Giersdorf starben 6 Erwachsene und 3 Kinder. Schwerverletzt wurden 5 Erwachsene und 2 Kinder, die man auf Langer Richard's Milchwagen ins Neisser Krankenhaus gefahren hat.
 
Nachdem die verstörten Menschen Neisse erreichten, kamen Frauen mit Kleinkindern in eine Reithalle in der Friedrichstadt. Doch die meisten mussten im Freien oder Katakomben kampieren, ohne Verpflegung. In Kellern der Umgebung lagen Kartoffeln, doch darauf haben Leichen gelegen. Viele erkrankten, hauptsächlich Kinder. Mein kleiner Bruder, neun Jahre alt, hat auch Kartoffeln geholt, aber zum Glück keine vergifteten.
 
Etwa 10 Tage dauerte das Martyrium der ersten Austreibung im Neisser Lager, bis die Häuser und Höfe der Dörfer von den polnischen Umsiedlern besetzt waren. *)
 
Später haben meine Geschwister von den insgesamt drei schrecklichen Austreibungen berichtet. Die jüngeren Schwestern, fünf und zwei Jahre alt, haben danach viele Jahre gebraucht, bis sie es seelisch verarbeitet hatten
 
Immer wenn ich dieses Holzkreuz erblicke, sehe ich meine kränkelnde Mutter mit den sechs Kindern vor mir, die inmitten dieser Trecks der Entrechteten und Gequälten, gelitten haben. Keiner konnte ihnen beistehen. Mein Vater war bei Bad Kreuznach in amerikanischer Gefangenschaft, mein Bruder in Rußland und ich war in Gefangenschaft im englischen Waldlager bei Eutin.“
Kreuz des Friedens,
bewahre uns vor weiteren Kriegen
 
''Nach der 1. Austreibung hat der Russe das Neisser Lager aufgelöst und die Deutschen wieder in ihre Dörfer zurückgeschickt.
Ihre Häuser und Landwirtschaften wurden in der Zwischenzeit vollständig und endgültig von den polnischen Umsiedlern besetzt. In ihre Häuser sind die Deutschen von den polnischen Umsiedlern nicht mehr gelassen worden. Man hat sie einfach weggejagt mit den Worten: „Alles meine, alles meine.“
Manche Bauern und Landwirte konnten auf ihren Höfen als Knechte ohne Lohn arbeiten, weil viele Polen von der Landwirtschaft keine Ahnung hatten.
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Version vom 29. April 2019, 19:29 Uhr

Erlebnisberichte

Herbert Melcher (1928 - 2019): Austreibungen aus Giersdorf und umliegenden Dörfern

  • Die erste Austreibung aus Giersdorf: Sie vertrieb die Deutschen aus ihren Häusern, damit diese von den Polen in Besitz genommen werden konnten

Ein Holzkreuz am Straßenrand „…Ein großes Holzkreuz, als Symbol des Todes und des Gedenkens, steht auch an der Böschung der ehemaligen Reichsstraße 115 in Schlesien, Strecke Neisse-Ziegenhals unweit der Ortschaft Preiland, heute Przelek. An dieser Stelle geschah am 29. Juni 1945 ein grausames Minenunglück.

Am Vortag, dem 28. Juni 1945 führte die polnische Miliz die erste Austreibung durch. Betroffen waren die Dörfer Giersdorf, Borkendorf und Groß- Kunzendorf. Zwei Stunden nach der Bekanntmachung mussten alle Giersdorfer zur Registrierung beim Gasthaus Jahn sein. Pfarrer Kolbe, den man vom Bett seiner todkranken Mutter weggezerrt hatte flehte, bei seiner Mutter bleiben zu dürfen. Ein Milizer trat ihn so fest in den Hintern, dass er hinstürzte. Der Pfarrer sagte „Gott vergelts."

Als die Borkendorfer und Groß- Kunzendorfer in Giersdorf ankamen, setzten sich ca. 2000 Menschen über den Ziegenhal-ser Berg Richtung Osten in Bewegung. Sie hatten Angst, dass die Reise nach Rußland geht. In Ziegenhals war die Bielebrücke gesprengt und alle mussten durch das knietiefe Wasser gehen.Viele Handwagen blieben vor dem Fluß stehen. Hinter der Stadt ging es auf der Reich-straße nach Westen, über Deutsch-Wette Richtung Neisse weiter. Das erste Nachtlager war eine nasskalte Wiese vor Alt-Wette.

Am nächsten Morgen waren alle durchgefroren und es ging ohne Frühstück bis zu der Stelle, wo heute noch das Kreuz steht. Der Milizer, der am Vortag den Pfarrer Kolbe getreten hatte, setzte sich auf einen Straßenstein, um sich eine Zigarette zu drehen. Als er damit fertig war, sprang er vom Stein herunter auf eine Mine. Nach der Detonation lag er tot an der Böschung, beide Beine abgesprengt- „Gott vergelts".

Ein Pferdewagen, auf dem alte Leute und Kinder saßen, wurde zerrissen. 24 Personen vom Treck sind getötet worden. Aus Giersdorf starben 6 Erwachsene und 3 Kinder. Schwerverletzt wurden 5 Erwachsene und 2 Kinder, die man auf Langer Richard's Milchwagen ins Neisser Krankenhaus gefahren hat.

Nachdem die verstörten Menschen Neisse erreichten, kamen Frauen mit Kleinkindern in eine Reithalle in der Friedrichstadt. Doch die meisten mussten im Freien oder Katakomben kampieren, ohne Verpflegung. In Kellern der Umgebung lagen Kartoffeln, doch darauf haben Leichen gelegen. Viele erkrankten, hauptsächlich Kinder. Mein kleiner Bruder, neun Jahre alt, hat auch Kartoffeln geholt, aber zum Glück keine vergifteten.

Etwa 10 Tage dauerte das Martyrium der ersten Austreibung im Neisser Lager, bis die Häuser und Höfe der Dörfer von den polnischen Umsiedlern besetzt waren. *)

Später haben meine Geschwister von den insgesamt drei schrecklichen Austreibungen berichtet. Die jüngeren Schwestern, fünf und zwei Jahre alt, haben danach viele Jahre gebraucht, bis sie es seelisch verarbeitet hatten

Immer wenn ich dieses Holzkreuz erblicke, sehe ich meine kränkelnde Mutter mit den sechs Kindern vor mir, die inmitten dieser Trecks der Entrechteten und Gequälten, gelitten haben. Keiner konnte ihnen beistehen. Mein Vater war bei Bad Kreuznach in amerikanischer Gefangenschaft, mein Bruder in Rußland und ich war in Gefangenschaft im englischen Waldlager bei Eutin.“ Kreuz des Friedens, bewahre uns vor weiteren Kriegen

Nach der 1. Austreibung hat der Russe das Neisser Lager aufgelöst und die Deutschen wieder in ihre Dörfer zurückgeschickt. Ihre Häuser und Landwirtschaften wurden in der Zwischenzeit vollständig und endgültig von den polnischen Umsiedlern besetzt. In ihre Häuser sind die Deutschen von den polnischen Umsiedlern nicht mehr gelassen worden. Man hat sie einfach weggejagt mit den Worten: „Alles meine, alles meine.“ Manche Bauern und Landwirte konnten auf ihren Höfen als Knechte ohne Lohn arbeiten, weil viele Polen von der Landwirtschaft keine Ahnung hatten.