Erziehung im XX. Jahrhundert/008: Unterschied zwischen den Versionen

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Streben und sicheres Wollen oder genusssiichtige Neigungen und schwankenden
Charakter betätigen wird, das alles zeigt sich schon in den meisten Fällen
während der ersten Lebensjahre. Jean Paul sagt nicht mit Unrecht, »dass die
Rute, die ein Kind nach dem fünften Jahre noch verdiene, gewöhnlich seinen Erziehern gebühre«.
 
Aus alledem ergibt sich zugleich, dass die ersten und die berufenen Erzieher
des Kindes die Eltern sind, und naturgemäss fällt die wichtigste Aufgabe bei
der Erziehung der Mutter zu. Die Begriffe »Mutter« und »Erzieherin« sind
eigentlich gleichbedeutend, und kein Pädagog hat ein schöneres Bild der Mutter
als Erzieherin des Kindes gezeichnet, wie Pestalozzi in seiner Gertrud, die er in
dem Erziehungsroman: »Lienhard und Gertrud« verherrlicht. Dieses Bild ist ohne
Zweifel dem Leben entnommen, denn es gibt in allen Ständen und nicht zum
wenigsten auch in den unteren, Mütter, die ihren Kindern das sind, was Pestalozzi
an seiner Gertrud veranschaulichen will. Glücklich die Kinder, die eine solche
Mutter gehabt haben!
 
Aber freilich ist es nicht jeder Mutter beschieden, diesem Bilde zu gleichen,
und oft gerade denjenigen Müttern nicht, die ihre Kinder am meisten lieben.
Gerade diesen fehlt oft die wichtigste Eigenschaft, mit der das Kind im
ersten Lebensjahre zu erziehen ist: das Talent zur ruhigen Gewöhnung und
die sichere Festigkeit, die den Willen des Kindes bildet, ohne ihn zu brechen,
und die seine Charaktereigenschaften entwickelt, ohne ihm seine Eigenart zu nehmen.
Jeder Vater, der der Entwicklung seiner Kinder in den ersten Lebensjahren
einige Aufmerksamkeit widmen kann, wird verstehen, was wir damit meinen.
Das kleine zarte Wesen, das noch im Säuglingsalter steht, setzt der Erziehung
durch die Mutter oftmals einen solchen Widerstand entgegen, dass alle Festigkeit
und Ausdauer dazu gehört, diesen Eigenwillen der besseren Einsicht unterzuordnen; die so notwendige Erziehung zur Reinlichkeit, zum ruhigen Stillhalten auch bei schmerzhaften Eingriffen und noch vieles andere bieten Beispiele genug
hierfür, und die so häufigen Fälle, in denen eine Mutter im Kampfe mit dem
Eigenwillen und Trotze ihres Kindes den Kürzeren zieht, sind ebenso viele Beispiele  einer  verfehlten  Erziehung.
 
Zugleich zeigen diese
Beispiele auch, dass es
bei der Erziehung nicht
auf  Worte  ankommt.
Wenn  von    der  Erziehung    in    späteren
Jahren mit Recht gesagt
worden ist, dass von allen
Erziehungs - Mitteln Ermahnungen  die schlechtesten und unwirksamsten
sind,    so  ist  es  für  die
Erziehung  in  den  ersten
Lebensjahren ohne weiteres einleuchtend, dass hier Worte und Ermahnungen überhaupt ganz bedeutungslos sein müssen.
Das    Kind    versteht
sie    entweder    noch
nicht  oder    es  vergisst sie in ganz kurzer
Zeit.  Das einzige hier
anwendbare Erziehungsmittel  ist Gewöhnung,
y und  zwar  Gewöhnung
)    an  alles  das, was gefordert werden muss.
Wird diese Gewöhnung
versäumt,  so  ist  es  dann  späterhin

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Streben und sicheres Wollen oder genusssiichtige Neigungen und schwankenden Charakter betätigen wird, das alles zeigt sich schon in den meisten Fällen während der ersten Lebensjahre. Jean Paul sagt nicht mit Unrecht, »dass die Rute, die ein Kind nach dem fünften Jahre noch verdiene, gewöhnlich seinen Erziehern gebühre«.

Aus alledem ergibt sich zugleich, dass die ersten und die berufenen Erzieher des Kindes die Eltern sind, und naturgemäss fällt die wichtigste Aufgabe bei der Erziehung der Mutter zu. Die Begriffe »Mutter« und »Erzieherin« sind eigentlich gleichbedeutend, und kein Pädagog hat ein schöneres Bild der Mutter als Erzieherin des Kindes gezeichnet, wie Pestalozzi in seiner Gertrud, die er in dem Erziehungsroman: »Lienhard und Gertrud« verherrlicht. Dieses Bild ist ohne Zweifel dem Leben entnommen, denn es gibt in allen Ständen und nicht zum wenigsten auch in den unteren, Mütter, die ihren Kindern das sind, was Pestalozzi an seiner Gertrud veranschaulichen will. Glücklich die Kinder, die eine solche Mutter gehabt haben!

Aber freilich ist es nicht jeder Mutter beschieden, diesem Bilde zu gleichen, und oft gerade denjenigen Müttern nicht, die ihre Kinder am meisten lieben. Gerade diesen fehlt oft die wichtigste Eigenschaft, mit der das Kind im ersten Lebensjahre zu erziehen ist: das Talent zur ruhigen Gewöhnung und die sichere Festigkeit, die den Willen des Kindes bildet, ohne ihn zu brechen, und die seine Charaktereigenschaften entwickelt, ohne ihm seine Eigenart zu nehmen. Jeder Vater, der der Entwicklung seiner Kinder in den ersten Lebensjahren einige Aufmerksamkeit widmen kann, wird verstehen, was wir damit meinen. Das kleine zarte Wesen, das noch im Säuglingsalter steht, setzt der Erziehung durch die Mutter oftmals einen solchen Widerstand entgegen, dass alle Festigkeit und Ausdauer dazu gehört, diesen Eigenwillen der besseren Einsicht unterzuordnen; die so notwendige Erziehung zur Reinlichkeit, zum ruhigen Stillhalten auch bei schmerzhaften Eingriffen und noch vieles andere bieten Beispiele genug hierfür, und die so häufigen Fälle, in denen eine Mutter im Kampfe mit dem Eigenwillen und Trotze ihres Kindes den Kürzeren zieht, sind ebenso viele Beispiele einer verfehlten Erziehung.

Zugleich zeigen diese Beispiele auch, dass es bei der Erziehung nicht auf Worte ankommt. Wenn von der Erziehung in späteren Jahren mit Recht gesagt worden ist, dass von allen Erziehungs - Mitteln Ermahnungen die schlechtesten und unwirksamsten sind, so ist es für die Erziehung in den ersten Lebensjahren ohne weiteres einleuchtend, dass hier Worte und Ermahnungen überhaupt ganz bedeutungslos sein müssen. Das Kind versteht sie entweder noch nicht oder es vergisst sie in ganz kurzer Zeit. Das einzige hier anwendbare Erziehungsmittel ist Gewöhnung, y und zwar Gewöhnung ) an alles das, was gefordert werden muss. Wird diese Gewöhnung versäumt, so ist es dann späterhin