Wien/Archive/Bestände Haus-Hof-Staatsarchiv: Unterschied zwischen den Versionen

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=== Bestände Staatsarchiv - Haus-, Hof-, und Staatsarchiv ===
== Bestände Staatsarchiv - Haus-, Hof-, und Staatsarchiv ==


Die im denkmalgeschützten Archivgebäude Minoritenplatz 1 aufbewahrten Archivalien umfassen Urkunden, Handschriften, Behördenschriftgut und Akten, „private“ Korrespondenzen und Autographen von „Zelebritäten“ vergangener Zeiten, Karten und Pläne. Die etwa 250.000 archivalische Einheiten, davon ungefähr 85.000 (Pergament-) Urkunden bzw. Vertragswerke und etwa 3000 Handschriften beginnen mit dem ältesten Stück „Geschichte“, einer Pergamenturkunde Kaiser Ludwigs des Frommen aus dem Jahr 816 und reichen (mit Ausnahmen) bis 1918, also bis zum Ende der Donaumonarchie.
Auschlaggebend für die Geschichte der heutigen Archivbestände war die Doppelfunktion der Habsburger als österreichische Landesfürsten (seit 1804 österreichische Kaiser) und als Oberhaupt des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation (bis 1806). Das Haus-, Hof- und Staatsarchiv verwahrt mit seiner wahrlich „grenzenlosen“ Vielfalt an historischen Dokumenten Kulturgüter von einzigartigem Rang.
Es bietet eine reiche Quellenbasis zur österreichischen Verfassungs-, Verwaltungs-, Kultur- und Wirtschaftsgeschichte, für die Geschichte der internationalen Beziehungen und Staatengeschichte vom 16. Jahrhundert bis 1918/1920.
Die Archivbestände sind in 19 Gruppen gegliedert.
===Reichsarchive===
Die sogenannten Reichsarchive, deren zeitlicher Rahmen sich vom späten Mittelalter bis zum Ende des Alten Reichs (1806) erstreckt, sind in drei Teile gegliedert: Reichshofrat (01), Reichskanzlei (02), und Mainzer Erzkanzlerarchiv (03).
Die Reichskanzlei umfaßt die Serien: Reichsakten in genere, Reichsakten in specie, Diplomatische Akten, Zeremonialakten, Reichstagsakten, Wahl- und Krönungsakten, Kriegs- und Friedensakten, Religionsakten, Geistliche Wahlakten, Reichstaxbücher, Deduktionen und Geschriebene Zeitungen, u. a. m. Die Reichsregisterbücher, worin bedeutende kaiserliche Privilegien abschriftlich überliefert sind, reichen bis ins 14. Jahrhundert (Ruprecht von der Pfalz) zurück. Akten des kaiserlichen Hof- und Kammergerichts unter Friedrich III. (Akten derselben Provenienz finden sich bei den Antiquissima des Reichshofrats) und anderer Kanzleien sind heute chronologisch in den „Fridericiana“ (1443–1493) zusammengefaßt, die „Maximiliana“ enthalten u. a. Akten der Kanzlei Erzherzog Sigmunds von Tirol und der Reichskanzlei Maximilians I. (1477–1519).
Das Archiv der Reichskanzlei wird in vielen Fällen, wobei besonders die zweifache Überlieferung der Reichstagsakten hervorzuheben ist, ergänzt durch die Serien des Mainzer Erzkanzlerarchivs, das aus der Tätigkeit der Mainzer Erzbischöfe und Kurfürsten als Reichsstände und Oberhaupt der Reichskanzlei hervorgegangen ist. Durch deren bestimmende Funktion bei Wahl-, Krönungs- und Reichstagen bietet dieses Archiv eine bedeutende schriftliche Überlieferung zur Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte des sogenannten Alten Reichs bis 1806.
Das Archiv des Reichshofrats als oberste Justizbehörde des Alten Reichs (in Konkurrenz zum Reichskammergericht) teilt sich in Judicialia (Prozeßakten) und Gratialia (Gnadensachen). Die Gratialia enthalten wichtiges kultur- und wirtschaftshistorisches Material wie Ärzte- Gewerbe- und Fabriksprivilegien, Impressoria (Druckprivilegien), Geleit-, Schutz- und Paßbriefe sowie Privilegia poetae laureati. Zu den eigentlichen Prozeßakten des Reichshofrats existiert ab der Mitte des 16. Jahrhunderts eine geschlossene Serie von Geschäftsbüchern des Reichshofrats, die Resolutionsprotokolle. Sind diese Prozeßakten, die in vielen Fällen Karten und Pläne, Memoiren und Beschwerdeschriften beinhalten, vorrrangig für wirtschafts- und sozialgeschichtliche Fragestellungen von Interesse sowie für Stadt- und Regionalgeschichte unerschöpfliche Quellen, bergen die Reichslehensakten des Reichshofrats Material zur Territorial- und Verfassungsgeschichte des Alten Reichs.
===Akten zur Diplomatiegeschichte und zu den internationalen Beziehungen (04 bis 09)===
Die Österreichische Geheime Staatsregistratur (04) (Akten vornehmlich aus dem 17. Jahrhundert) enthält nicht nur diplomatische Akten der österreichischen Hofkanzlei. Integriert sind auch Teile der Registraturen von kaiserlichen Gesandten (z. B. Isaak Volmar, Bevollmächtigter Unterhändler für den Friedensvertrag von Münster 1648 Oktober 24) und Akten aus der Hofkanzlei, die ausschließlich innerösterreichischen Angelegenheiten gelten (aus den Jahren 1620–1665). Aus der Hofkanzlei gelangte diese Registratur etwa 1780 in die Staatskanzlei und von dort ins Haus-, Hof- und Staatsarchiv. Die Österreichische Geheime Staatsregistratur wurde im späten 19. Jahrhundert fast zur Gänze in einzelne Serien der Staatenabteilungen eingereiht, aber noch vor dem Ersten Weltkrieg vollständig wiederhergestellt (Repertorium N). Das Repertorium N enthält demnach Quellen zu den internationalen Beziehungen des 17. Jahrhunderts, teilweise läßt sich auch die Tätigkeit der Geheimen Konferenz, ein Beratungsgremium des Monarchen, rekonstruieren.
Die Aktenserien der Staatskanzlei (05) und der Staatenabteilungen (08) dokumentieren die Diplomatie- und Staatengeschichte vom 16. bis Mitte des 19. Jahrhundert. Die Registraturen der Staatskanzlei, 1742 als selbständige Behörde mit der Führung der auswärtigen Geschäfte und Angelegenheiten des Hauses Habsburg betraut, enthalten eine lückenlose Serie von Indizes und Protokollen (1710–1848) aus dem Geschäftsgang der Staatskanzlei.
Die diplomatische Korrespondenz der Staatskanzlei (05) ist unterteilt in Länderserien wie Bayern, Deutsche Akten (alte und neue Serie), Brasilien, Griechenland, Niederlande, u. a. und betrifft in der Hauptsache den Zeitraum vom 18. bis Mitte des 19. Jahrhundert. In der Unterserie „Konsulate“ erliegen die Berichte von Konsularämtern ab dem späten 18. Jahrhundert (teilweise auch Reste von Konsulatsarchiven, z. B. Travnik) – eine Korrespondenzreihe, die mit der Konsularkorrespondenz des Ministerium des Äußern (06: Politisches Archiv Serie XXXVIII) eine zeitliche Fortsetzung findet. Die Reihe „Deutsche Akten“ birgt Material aus der Tätigkeit der Mainzer Zentral-Untersuchungskommission (1819–1829), also wichtige Quellen zur Geschichte der Zensur und zum europaweiten Netz der demokratisch-nationalen Bewegungen im Vormärz. Mit Hilfe weiterer Aktenreihen (z. B. Notenwechsel der Staatskanzlei mit den übrigen Zentralbehörden am Kaiserhof) lassen sich Einsichten in Entscheidungsmechanismen auf höchster Ebene gewinnen. Ähnliches gilt für die Reihe Vorträge an den Kaiser (1606–1868) mit den kaiserlichen Handschreiben und Konferenzprotokollen. Die Reihe Interiora hat vor allem behörden- und personengeschichtliche Relevanz (Organisierung der Staatskanzlei, Personalia, Orientalische Akademie), gibt jedoch durch die Sammlung von Chiffernschlüssel und Interzepten (aufgefangene Originalbriefe bzw. Abschriften von fremdem Postgut aus den diversen Postlogen) Auskunft über die mitunter subtilen Vorgangsweisen politisch-diplomatischer Kunst. Die Serie Wissenschaft, Kunst und Literatur dokumentiert wissenschaftliche Ambitionen von leitenden Funktionären der Staatskanzlei und ist als Sondersammlung zahlreicher Autographen zu nahezu allen Sparten der Wissenschafts- und Kulturgeschichte von Interesse.
Die Staatenabteilungen (08), deren Akten provenienzmäßig v. a. der Reichskanzlei, der Staatskanzlei, der österreichischen Hofkanzlei zuzurechnen sind (teilweise sind auch Nachlässe und Teile von Gesandtschaftsarchiven integriert), komplettieren die diplomatischen Korrespondenzreihen ab dem frühen 16. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Staatenabteilungen gliedern sich in Nationalia (deutsche Staaten) und außerdeutsche Staaten. Diese Serie zerfällt wiederum in einzelne, chronologisch geordnete Reihen, die den diplomatischen Schriftwechsel mit den jeweiligen Bevollmächtigten Gesandten in Ägypten, Frankreich, Großbritannien, in Rußland und Polen, im Osmanischen Reich enthalten.
Aussagekräftiger als der amtliche Schriftverkehr sind oft „private“ und „halboffizielle“ Briefe und Mitteilungen von Männern, die Diplomatie und Politik betreiben. Derartige Schreiben vom 16. bis zum 19. Jahrhundert, etwa die Korrespondenzen von Karl Philipp Cobenzl oder Prinz Eugen von Savoyen, sind in der Reihe Große Korrespondenz (09) vereinigt, die durch die Collection Diplomatique (09) – eine aus verschiedenen Archiven und literarischen Quellen bestehende Sammlung von Abschriften zur Geschichte Europas 1640–1725 – und die Kriegsakten (09) – Akten aus der Staatskanzlei, aus dem Reichshofrat u. a., die diplomatisch-militärische Kampagnen von 1519–1866 behandeln – ergänzt werden.
Die Revolution des Jahres 1848 und die Ministerialverfassungen schufen neue Zuständigkeiten für die außenpolitischen Agenden: Die Akten des Ministeriums des kaiserlichen Hauses und des Äußern (06) vereinigen im Politischen Archiv die gesamten politisch-diplomatischen Akten von 1848–1918, wobei in einigen Fällen zeitliche Überschneidungen auftreten. Das heißt, Vorakten der Staatskanzlei (bis 1830 zurück) erliegen heute bei den Akten des Außenministeriums, andererseits reichen gewisse Serien der Staatskanzlei/Staatenabteilung bis 1860. Die Akten des Außenministeriums sind zweigeteilt: das sogenannte Politische Archiv teilt sich wiederum in chronologisch geordnete Korrespondenzreihen nach Ländergruppen. Besonders hervorgehoben sei die Serie I des Politischen Archivs, die Material zu entscheidenden Vorgängen der außenpolitischen Maximen, zu Vertragsverhandlungen, zum Ersten Weltkrieg (Kriegsausbruch und Kriegsziele), Denkschriften, Geheimakten, Teile von Nachlässen von Politikern, z. B. von Außenminister Johann Bernhard Graf Rechberg, enthält. Die zweite Gruppe der Akten des Außenministeriums wird Administrative Registratur geannt: diese ist nach thematischen Gesichtspunkten in „Fächer“ gegliedert und enthält dabei nicht nur dienstliche Interna wie Personalia, die Organisierung von Botschaften und Konsulaten, sondern wichtiges Material zu den Mitgliedern des Allerhöchsten Hauses (Fach 1), zu Handelspolitik (Fach 34 und 34: Sonderreihe), zum Thema Kultusprotektorat und Fragen des internationalen Rechts.
Bedeutuend für die Geschichte der politisch-demokratischen Gruppierungen und nationalen Bewegungen, die jedenfalls von (staats-) polizeilichen Stellen durch bezahlte Agenten observiert wurden, sind die Akten von (staats-) polizeilichen Stellen, die unter dem Begriff „Informationsbüro“ (A- und BM-Akten der Polizeibehörde [1849–1867], Registratur des dem Ministerium des Äußern angegliederten Informationsbüros [1868–1908] und die Actes de haute Police [1849–1867]) zusammengefaßt sind.
Die Akten des Literarischen Büros (1864–1918) als Departement des Außenministeriums zur Überwachung und Lenkung der öffentlichen Meinung (Pressewesen) zeigen weitere Aspekte des politisch-diplomatischen Geschäfts der franzisko-josephinischen Ära. Eine Sammlung von diesbezüglich relevanten Zeitungsartikeln in einem Zeitungsarchiv ergänzt die beiden Informations- und Pressestellen des Außenministeriums.
Die Gesandtschafts- und Konsulatsarchive (07), gegliedert in alphabetischer Folge nach den jeweiligen Amtssitzen der Konsularämter und Botschaften, besitzen als eigene Archivkörper zweifellos eigenständigen Quellenwert: sie enthalten Unterlagen über Personen-, Wirtschafts- und Handelsgeschichte, Kultusprotektorat, judizielle Akten aufgrund der Konsulargerichtsbarkeit, Schul- und Sanitätswesen und geben zudem Auskunft über das persönliche Beziehungsnetz der Gesandten und Konsuln in ihrem Dienstort. Die heute archivierten Konsulats- und Gesandtschaftsarchive sind nur ein Bruchteil von den vor 1914 bzw. 1918 vorhandenen Archiven, d. h. nur ein geringer Teil gelangte auch ins Haus-, Hof- und Staatsarchiv, und mit wenigen Ausnahmen (Botschaftsarchiv beim Heiligen Stuhl, Gesandtschaftsarchiv Stockholm, Botschaftsarchiv Berlin) stammen diese Akten aus dem 19. Jahrhundert; hinzukommt, daß ein Teil der Gesandtschaftsarchive in die Korrespondenzreihen der Staatskanzlei und Staatenabteilung eingelegt wurden.
===Habsburgisch-lothringische Hausarchive===
Die Habsburgisch-lothringischen Hausarchive (10) , deren Bestandteile (Familienakten, Familienkorrespondenz, Sammelbände, Handarchiv Kaiser Franz) beinahe selbstredend den Inhalt preisgeben, geben Auskunft über das Zeremoniell bei Taufen, Hochzeiten und Tod (Verlassenschaften), über Hofreisen und Vermögensangelegenheiten, über die Ambitionen des Hauses Habsburg als Kunstmäzene, über „Privates“ und „Politisches“. Den genannten Reihen ist eine Reihe von Nachlässen von Mitgliedern des Allerhöchsten Kaiserhauses angeschlossen: Archiv Maximilian von Mexiko, Selekt Kronprinz Rudolf, Archiv Montenuovo, die Nachlässe Ludwig Salvator und Franz Ferdinand (Depot Hohenberg), Selekt Chambord und die Tagebücher von Erzherzogin Sophie, die ebenso wie der Nachlaß Franz Ferdinand nur nach schriftlicher Bewilligung für die Forschung zugänglich sind. Als eigenständige Archivkörper der Gruppe (10) sind das Lothringische Hausarchiv und das Estensische Familienarchiv zu nennen.
===Kabinettsarchiv===
Das Kabinettsarchiv (11) vereinigt die Schriftnachlässe von Herrscherkanzleien im weitesten Sinn sowie Registraturen der staatlichen Zentralbehörden (Staatsrat, Staatskonferenz, Reichsrat) – mit einer Serie von Handschriften (Bittschriften, Handbillettenprotokollen) – in einem Zeitraum von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis 1918. Spätestens ab Mitte des 18. Jahrhunderts war das kaiserliche Kabinett auch mit politischen, vor allem außenpolitischen Agenden befaßt. Mit Kaiser Franz II. (I.) und den Reformen seiner Regierungszeit wurde die Verbindung zwischen der kaiserlichen „Schreibstube“ und Behörden (Staatsrat, Staatskonferenz) noch enger, sodaß die von den Kabinettsreferenten als vertraute und persönliche Gutachter der Kaiser Franz und Ferdinand produzierten Aktenmengen in das Archiv des Staatsrates und von dort in das Haus-, Hof- und Staatsarchiv gelangten. Die Alten Kabinettsakten dagegen sind Akten, „die beim Monarchen zurückblieben und sich anhäuften“, und betreffen in erster Linie Fragen der inneren Verwaltung der habsburgischen Länder, Wirtschafts- und Finanzgeschichte des 18. Jahrhunderts.
Die sogenannten Vertraulichen Akten und Kaiser-Franz-Akten, ursprünglich Teile des sogenannten Handarchiv Kaiser Franz (heute Teil der habsburgischen Familienarchive) entstanden parallel zum Kabinettskanzleiarchiv (1802–1848) unter Kaiser Franz II. (I.) als ein eigenes Archiv von Schriftstücken, die der Kaiser rasch zur Hand haben und vertraulich behandelt wissen wollte. Die Kaiser-Franz-Akten dokumentieren ständische und Verwaltungsangelegenheiten der österreichischen Provinzen während der Neu (Um-) Organisierung zur Zeit der napoleonischen Kriege. Die darin enthaltenen Reste des Nachlasses von Franz Karl Kressl, Präses der geistlichen Hofkommission, betreffen die Aufhebung des Jesuitenordens; Visitationsberichte von Bischöfen (insgesamt 10 Aktenfaszikel) erläutern Schulwesen und Volksfrömmigkeit. Die Vertraulichen Akten bieten auch in Form von Verhörsprotokollen und konfisziertem Material Informationen über Freimaurerlogen, Geheimgesellschaften und Sympathisanten der französischen Jakobiner.
Die Serien des Kabinettsarchivs, die die Zeit von 1848 bis 1918 betreffen (Vorträge, Ministerratsprotokolle 1848–1867, Geheimakten [Memoires zu innen- und außenpolitischen Fragen, Nachlaß des Fürsten Felix Schwarzenberg] sind wohl bekannte Quellen zu Innenpolitik, Verwaltung und Verfassung des Habsburgerstaates. Ähnliches gilt für die Nachlässe der Kabinettskanzlei: Genannt sei der Nachlaß des Johann Freiherr Kempen von Fichtenstamm (1852–1859 Chef der obersten Polizeibehörde); der Nachlaß des Feldmarschall Franz Moritz Graf Lacy (1725–1801); der Nachlaß des Leopold Graf Kolowrat (1727–1809) und der Nachlaß Zinzendorf mit Schriftgut zu Wirtschafts- und Finanzfragen des 18. Jahrhunderts; die Tagebücher des Karl Graf Zinzendorf für die Zeit von 1752 bis 1813 bieten überdies einmalige Aufzeichnungen zu Kultur- und Mentalitätsgeschichte des späten 18. Jahrhunderts.
Aus der Registratur des Staatsrates, zwischen 1760 und 1848 beratendes Kollegium zur Behandlung von Fragen der Verwaltung und Politik, sind aufgrund der Zerstörungen 1945 nur mehr Aktenreste (ab 1834) und die Geschäftsbücher (Indizes, Protokolle) erhalten geblieben. Ebenso wichtig für Verwaltung und Verfassung ist die Registratur des (verstärkten) Reichsrates (1851–1868), der als Beratungsgremium ohne Initiativrecht ähnliche Funktionen wie Staatsrat und Staatskonferenz vor 1848 hatte, gefolgt vom sogenannten Jüngeren Staatsrat (1861–1868), der den Kaiser und sein Ministerium „mit der Einsicht, den Kenntnissen und der Erfahrung seiner Mitglieder zur Erzielung fester, gereifter und übereinstimmender Grundsätze beratend zu unterstützen“ hatte.
===Hofarchive und Akten der Habsburgisch-lothringischen Vermögensverwaltung===
Die Hofarchive (12) vereinigen die Archive der Ämter und Hofdienste, die die verschiedenen Verwaltungs-, Gerichts- und Ehrendienste am herzoglichen bzw. kaiserlichen Hof zu besorgen hatten. Der gesamte Hofstaatsdienst wurde im wesentlichen von vier obersten (mit zahlreichen nachgeordneten) Ämtern geleitet: Obersthofmeisteramt, Oberstkämmereramt, Obersthofmarschallamt und Oberststallmeisteramt. Zu diesen Hauptgruppen existieren heute weitere Archivalienserien wie jene des Oberstjägermeisteramtes (mit Jagdrevierbeschreibungen aus dem 16., Landkarten und Plänen aus dem 18. Jahrhundert), des Hofwirtschaftsamtes, der Hofmusikkapelle (1757–1900), der Hofapotheke, der Hofburgpfarre, des Hofrechnungsdepartements (Hofkammerzahlamt) und des Hofbauamtes. Mit wenigen Ausnahmen (Hofstaatsverzeichnisse, Zeremonielldepartement und „Hofparteienprotokolle“ des Obersthofmeisteramtes) setzen diese Serien um die Mitte des 18. Jahrhunderts ein und reichen bis 1918/1920. Sie dokumentieren Zeremoniell bei Hof, Audienz und Repräsentation – im weitesten Sinne Ausdrucksformen kultureller Begegnung –, enthalten zahlreiche rechtsverbindliche Dokumente (Verlassenschaften, Testamente) und Unterlagen zur Geschichte der Wiener Museen, Kunstsammlungen, Naturalienkabinette und Hofbibliothek. Ohne die schriftlichen Überlieferung der Hoftheater- und Hofopernverwaltung (nach 1918/1922 Bundestheaterverwaltung) mit seinen zahlreichen Autographen von Direktoren, Künstlern, Musikern und Schauspielern ist eine fundierte Wiener Theater- und Musikgeschichte kaum denkbar. Im Jahr 1916 wurde das Departement für Ordensangelegenheiten im Obersthofmeisteramt zentralisiert und die neue Ordenskanzlei übernahm bei dieser Gelegenheit auch die bereits existierenden Kanzleien des Leopoldordens, Franz-Joseph-Ordens und des Ordens der Eisernen Krone.
Die Akten der Habsburgisch-lothringischen Vermögensverwaltung (13) (Familienversorgungsfond, Privat- und Familienfond bzw. Kriegsbeschädigtenfond) sind hervorgegangen aus dem Familienversorgungsfond, dem sogenannten Avitikal- und Patriomonailfond. 1886/87 wurde die Generaldirektion der ah. Privat- und Familienfonde als Zentralverwaltung des gesamten mobilen und immobilen Privatvermögens des Allerhöchsten Kaiserhauses geschaffen und 1919/1925 in Form des Kriegsbeschädigtenfonds verstaatlicht. Die Arcivalien bieten vor allem für die Herrschafts- und Regionalgeschichte und zur Entwicklung der Land- und Forstwirtschaft mit den seit Mitte des 18. Jahrhunderts in geschlossener Reihe vorliegenden Akten über Verwaltung der großen kaiserlichen Domänen (Schloßverwaltungen von Schönbrunn, Baden, Belvedere, Salzburg-Hellbrunn, Hetzendorf, Laxenburg-Vösendorf und Innsbruck-Ambras sowie u. a. die Herrschaftsarchive Eckartsau, Hof an der March (Schloßhof), Leiben, Luberegg, Großenzersdorf) wertvolles Quellenmaterial.
===Urkundenabteilungen, Siegel (abguß)- bzw. Typarsammlungen===
Die Gruppe 14 umfaßt Urkundenabteilungen, Siegel (abguß)- bzw. Typarsammlungen. Die Allgemeine Urkundenreihe war lange Zeit eine lebendige Urkundenregistratur, d. h. seit dem späten 18. Jahrhundert wurden Verträge, Staats- und Familienurkunden im Haus-, Hof und Staatsarchiv hinterlegt; diese Reihe beginnt mit dem Jahr 1816 und endet heute mit dem Jahr 1918, die jüngere Serie der Staatsurkunden erliegt heute im Archiv der Republik. Die Allgemeine Urkundenreihe mit rund 85.000 Urkunden enthält die bekanntesten „Originale“ österreichischer und europäischer Geschichte: Die Goldene Bulle Kaiser Karls IV. (1356), die sogenannten österreichischen Freiheitsbriefe (Fälschungen um 1358/59), der Mailberger Bund von 1451 (mit 254 (!) Siegeln), die internationalen Vertragswerke der neueren Geschichte wie die Friedensverträge von Münster und Osnabrück (1648), die Schlußakte des Wiener Kongresses (1815), Verfassungsurkunden wie das Oktoberdiplom (1860) und das Februarpatent (1861), den sogenannten Dreibund zwischen Österreich-Ungarn, Deutschland und Italien (1882) ebenso wie die erste urkundliche Erwähnung des heutigen Mattersburg in der ungarischen Königsurkunde von 1202.
Die Reihe der Habsburgischen Familienurkunden war ursprünglich Teil des Familien- und Hausarchivs bzw. der allgemeinen Reihe der Urkunden. Diese wurden aber um 1858 in eine separate Urkundenreihe ausgesondert und enthalten heute Hausordnungen, Testamente, Heiratsverträge aus einer Zeit von 1239 bis 1918. Als separate Urkundenreihen, abgesehen von jenen, die einzelnen Herrschafts- und Familienarchiven (Grafenegg, Auersperg: siehe Gruppe 19) angehören, existieren weiters die Niederländischen Urkunden (1277–1792), die Lothringischen Urkunden (1170–1753) und die Türkischen Urkunden und Staatsschreiben (1503–1841). Diese letztgenannte Reihe wurde nach dem Betreffgrundsatz als „eigene Sektion von Archivalien, die sich auf die Verhältnisse gegen die Türken und den Orient überhaupt beziehen“ gebildet. Der Großteil dieser Sultans- und Großwezirsschreiben (1527–1860) stammt v. a. aus den Archiven der Reichskanzlei und der Staatskanzlei. In den Staatenabteilungen (Türkei) finden sich zu diesen Originalschreiben (z. B. Ratifikation des Sultans Mustafa II. zum Friedensvertrag von Karlowitz 1699) Abschriften und Übersetzungen.
Die beiden bedeutendsten Siegelabgußsammlungen des Haus–, Hof- und Staatsarchivs, die Smiterische und Savasche Sammlung, zählen zusammen etwa 20.000 Exemplare. Die Sammlung der Siegelstempel und Typare reicht von der Zeit von Kaiser Ferdinand I. bis zum Ende der Habsburgermonarchie – Sammlungen also, die die Originalsiegel der Urkunden der genannten Reihen komplettieren, wo doch Siegel nicht nur für diplomatische, heraldisch-genealogische Studien, sondern in zunehmenden Maße auch für kunsthistorische Untersuchungen herangezogen werden.
===Handschriftensammlungen===
Die Handschriftensammlungen (15) verdanken ihre Entstehung und heutige Form dem lange vorherrschenden Grundsatz der Archivierung nach äußeren Merkmalen. Ohne Rücksicht auf Provenienz sind heute Handschriften aus dem Schatzkammerarchiv, der Hofbibliothek, den Reichsarchiven, den Archiven der Staats- und Kabinettskanzlei, aus Klösterarchiven, aus Sammlungen und Nachlässen aneinandergereiht und durch ein gedrucktes Inventar vollständig erschlossen. Als separate Einheit sind die Orientalischen Handschriften der Konsularakademie (mit Handschriften von der Mitte des 14. bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts), die dort zu Studienzwecken Verwendung fanden, angeschlossen. Die Hauptreihe der Handschriftensammlung umfaßt reich illuminierte Handschriften, kopiale Überlieferungen von Urkunden, Abschriften diplomatischer Korrespondenzen (mit beigebundenen Drucken), teilweise auch gebundene Originalschreiben (vor allem für die Zeit von Kaiser Rudolph II.), Urbare, Lehenbücher, Reise- und Gesandtschaftsberichte, der zeitliche Rahmen erstreckt sich vom 10. bis ins 20. Jahrhundert.
===Österreichische Akten, Ungarische Akten, und Klosterakten===
Die Gruppe Österreichische Akten (16) und Ungarische Akten (17) umfaßt neben Akten, die aus dem Geschäftsgang der Reichskanzlei und der Staatskanzlei hervorgegangen sind, auch Provenienzen von Behörden (Grazer und Innsbrucker Geheimer Rat), die zur Zeit der Länderteilungen im 16. und 17. Jahrhundert die höchsten Beratungsgremien der innerösterreichischen und tirolischen Landesfürsten waren. Die Trennung der Archivalien nach äußeren Kriterien in Urkunden, Bücher (Handschriften) und Akten einerseits und dem Betreffgrundsatz andererseits, d. h. der Zusammenlegung von Archivalien nach thematischen Betreffen oder einfacher chronologischer Ordnung, war ausschlaggebend für die Enstehung der Österreichischen Akten, die nach Ländern (Niederösterreich, Oberösterreich, Krain, Kärnten, usw. ) unterteilt ist. Wichtiger Bestandteil dieser Gruppe sind die Akten des Österreichischen Reichstags von 1848/1849. Ähnlich wie die Österreichischen Akten entstanden auch die Ungarischen Akten als einfache Aktenablagen, später als ein „verworrenes Gemisch zahlreicher Archivsplitter“, und umfassen mehrere, chronologisch geordnete Unterserien zur Geschichte der Länder der Stephanskrone, zur Geschichte der kriegerischen Auseinandersetzungen der Habsburger mit den Osmanen. Die Klosterakten (16) entstanden durch die Säkularisationen zu Beginn des 19. Jahrhunderts, enthalten Reste von Archiven aufgehobener Klöster (darunter auch Archive von Jesuitenkollegien) und Registraturen von nachfolgenden Behördenschöpfungen (NÖ. Kameraladministration bzw. NÖ. Staatsgüter-Administration).
===Italien-Spanischer Rat, Niederländisches Departement (Belgien)===
Unter der Bezeichnung Italien-Spanischer Rat (17) sind die Aktennachlässe jener Wiener Zentralbehörden des 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts zu verstehen, die nach dem Ende des spanischen Erbfolgekrieges zur Verwaltung der ehemals spanischen, nun österreichisch gewordenen Nebenländer Italiens eingerichtet worden sind: Supremo Consejo de España (1702–1736), Consiglio d’Italia (1736–1756), Dipartimento d'Italia der Staatskanzlei (1755/57–1798) und die italienische Hofkanzlei (1793–1805).
Das Niederländisches Departement (Belgien) (18) hat u. a. durch „unsystematische Archivalienauslieferungen“ (1856–1875) und „unsachkundige“ Ordnungsarbeiten schwer gelitten. Im wesentlichen können heute drei Gruppen (ohne Niederländische Urkunden, siehe Gruppe 14) unterschieden werden:
1. Teile der Registraturen Kaiser Karls V. und seiner Statthalterinnen Margarete und Maria (16. Jahrhundert);
2. Diplomatische Korrespondenz mit Großbritannien und Frankreich unter Erzherzog Albert und Erzherzogin Isabella aus der Zeit der spanischen Herrschaft in den Niederlanden;
3. Teile der Registraturen der Wiener und Brüsseler Behörden für die österreichischen Niederlande aus der Zeit von 1713 bis 1794.
Das Archiv von Florimond Mercy-Argenteau (um 1750–1793), dessen „amtliche“ Korrespondenz als Botschafter in Paris bei den Akten der Staatenabteilung-Frankreich erliegt, und die Papiers du Baron Marc de Fonseca (Deffonseca) (1712–1735) sind dieser „Belgien-Gruppe“ angeschlossen.
===Nachlässe, Herrschafts- und Familienarchive und Sonderbestände===
Die Gruppe 19 (Nachlässe, Herrschafts- und Familienarchive und Sonderbestände) umfaßt eine Reihe von Nachlässen und Archiven, die einerseits als Depots im Haus-, Hof- und Staatsarchiv hinterlegt und nur nach Bewilligung des Eigentümers der Forschung zugänglich sind, andererseits aber die bereits genannten Registraturen und Archivalienserien in vieler Hinsicht ergänzen und komplettieren: Erwähnt seien die Nachlässe Alois Lexa Graf Ahrenthal, Joseph Maria Baernreither, Leopold Graf Berchtold, Egon Caesar Conte Corti, Josef und Oskar Lasser, Ignaz und Ernst Plener, Friedrich Gentz, das Archiv der Grafen Stadion, die Tagebücher von Anton Freiherr von Prokesch-Osten und (meist als Depots) die Herrschafts- bzw. Familienarchive Auersperg, Csáky, Erdödy, Pálffy, Grafenegg, Guntersdorf, Rosenau und Walpersdorf.
Aus dieser (unvollständigen) Aufzählung hervorgehoben müssen drei weitere Bestandteile der Gruppe 19 werden: Das Archiv der Orientalischen Akademie (seit 1898 Konsularakademie), die Karten- und Plansammlung (Landkarten und Architekturpläne) und das Archiv des Ordens vom Goldenen Vlies (Depot). Das Archiv dieses im 15. Jahrhundert „zur Ehre Gottes, zur Beförderung des christlichen Glaubens und zur Pflege der ritterlichen Tugenden“ gegründeten Ordens zählt mit seinen Pergamenturkunden und reich illuminierten Handschriften zu den wertvollsten Schätzen im Haus-, Hof- und Staatsarchiv.




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Version vom 29. Oktober 2005, 22:03 Uhr

Bestände Staatsarchiv - Haus-, Hof-, und Staatsarchiv

Die im denkmalgeschützten Archivgebäude Minoritenplatz 1 aufbewahrten Archivalien umfassen Urkunden, Handschriften, Behördenschriftgut und Akten, „private“ Korrespondenzen und Autographen von „Zelebritäten“ vergangener Zeiten, Karten und Pläne. Die etwa 250.000 archivalische Einheiten, davon ungefähr 85.000 (Pergament-) Urkunden bzw. Vertragswerke und etwa 3000 Handschriften beginnen mit dem ältesten Stück „Geschichte“, einer Pergamenturkunde Kaiser Ludwigs des Frommen aus dem Jahr 816 und reichen (mit Ausnahmen) bis 1918, also bis zum Ende der Donaumonarchie.

Auschlaggebend für die Geschichte der heutigen Archivbestände war die Doppelfunktion der Habsburger als österreichische Landesfürsten (seit 1804 österreichische Kaiser) und als Oberhaupt des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation (bis 1806). Das Haus-, Hof- und Staatsarchiv verwahrt mit seiner wahrlich „grenzenlosen“ Vielfalt an historischen Dokumenten Kulturgüter von einzigartigem Rang. Es bietet eine reiche Quellenbasis zur österreichischen Verfassungs-, Verwaltungs-, Kultur- und Wirtschaftsgeschichte, für die Geschichte der internationalen Beziehungen und Staatengeschichte vom 16. Jahrhundert bis 1918/1920.

Die Archivbestände sind in 19 Gruppen gegliedert.


Reichsarchive

Die sogenannten Reichsarchive, deren zeitlicher Rahmen sich vom späten Mittelalter bis zum Ende des Alten Reichs (1806) erstreckt, sind in drei Teile gegliedert: Reichshofrat (01), Reichskanzlei (02), und Mainzer Erzkanzlerarchiv (03).

Die Reichskanzlei umfaßt die Serien: Reichsakten in genere, Reichsakten in specie, Diplomatische Akten, Zeremonialakten, Reichstagsakten, Wahl- und Krönungsakten, Kriegs- und Friedensakten, Religionsakten, Geistliche Wahlakten, Reichstaxbücher, Deduktionen und Geschriebene Zeitungen, u. a. m. Die Reichsregisterbücher, worin bedeutende kaiserliche Privilegien abschriftlich überliefert sind, reichen bis ins 14. Jahrhundert (Ruprecht von der Pfalz) zurück. Akten des kaiserlichen Hof- und Kammergerichts unter Friedrich III. (Akten derselben Provenienz finden sich bei den Antiquissima des Reichshofrats) und anderer Kanzleien sind heute chronologisch in den „Fridericiana“ (1443–1493) zusammengefaßt, die „Maximiliana“ enthalten u. a. Akten der Kanzlei Erzherzog Sigmunds von Tirol und der Reichskanzlei Maximilians I. (1477–1519).

Das Archiv der Reichskanzlei wird in vielen Fällen, wobei besonders die zweifache Überlieferung der Reichstagsakten hervorzuheben ist, ergänzt durch die Serien des Mainzer Erzkanzlerarchivs, das aus der Tätigkeit der Mainzer Erzbischöfe und Kurfürsten als Reichsstände und Oberhaupt der Reichskanzlei hervorgegangen ist. Durch deren bestimmende Funktion bei Wahl-, Krönungs- und Reichstagen bietet dieses Archiv eine bedeutende schriftliche Überlieferung zur Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte des sogenannten Alten Reichs bis 1806.

Das Archiv des Reichshofrats als oberste Justizbehörde des Alten Reichs (in Konkurrenz zum Reichskammergericht) teilt sich in Judicialia (Prozeßakten) und Gratialia (Gnadensachen). Die Gratialia enthalten wichtiges kultur- und wirtschaftshistorisches Material wie Ärzte- Gewerbe- und Fabriksprivilegien, Impressoria (Druckprivilegien), Geleit-, Schutz- und Paßbriefe sowie Privilegia poetae laureati. Zu den eigentlichen Prozeßakten des Reichshofrats existiert ab der Mitte des 16. Jahrhunderts eine geschlossene Serie von Geschäftsbüchern des Reichshofrats, die Resolutionsprotokolle. Sind diese Prozeßakten, die in vielen Fällen Karten und Pläne, Memoiren und Beschwerdeschriften beinhalten, vorrrangig für wirtschafts- und sozialgeschichtliche Fragestellungen von Interesse sowie für Stadt- und Regionalgeschichte unerschöpfliche Quellen, bergen die Reichslehensakten des Reichshofrats Material zur Territorial- und Verfassungsgeschichte des Alten Reichs.


Akten zur Diplomatiegeschichte und zu den internationalen Beziehungen (04 bis 09)

Die Österreichische Geheime Staatsregistratur (04) (Akten vornehmlich aus dem 17. Jahrhundert) enthält nicht nur diplomatische Akten der österreichischen Hofkanzlei. Integriert sind auch Teile der Registraturen von kaiserlichen Gesandten (z. B. Isaak Volmar, Bevollmächtigter Unterhändler für den Friedensvertrag von Münster 1648 Oktober 24) und Akten aus der Hofkanzlei, die ausschließlich innerösterreichischen Angelegenheiten gelten (aus den Jahren 1620–1665). Aus der Hofkanzlei gelangte diese Registratur etwa 1780 in die Staatskanzlei und von dort ins Haus-, Hof- und Staatsarchiv. Die Österreichische Geheime Staatsregistratur wurde im späten 19. Jahrhundert fast zur Gänze in einzelne Serien der Staatenabteilungen eingereiht, aber noch vor dem Ersten Weltkrieg vollständig wiederhergestellt (Repertorium N). Das Repertorium N enthält demnach Quellen zu den internationalen Beziehungen des 17. Jahrhunderts, teilweise läßt sich auch die Tätigkeit der Geheimen Konferenz, ein Beratungsgremium des Monarchen, rekonstruieren.

Die Aktenserien der Staatskanzlei (05) und der Staatenabteilungen (08) dokumentieren die Diplomatie- und Staatengeschichte vom 16. bis Mitte des 19. Jahrhundert. Die Registraturen der Staatskanzlei, 1742 als selbständige Behörde mit der Führung der auswärtigen Geschäfte und Angelegenheiten des Hauses Habsburg betraut, enthalten eine lückenlose Serie von Indizes und Protokollen (1710–1848) aus dem Geschäftsgang der Staatskanzlei.

Die diplomatische Korrespondenz der Staatskanzlei (05) ist unterteilt in Länderserien wie Bayern, Deutsche Akten (alte und neue Serie), Brasilien, Griechenland, Niederlande, u. a. und betrifft in der Hauptsache den Zeitraum vom 18. bis Mitte des 19. Jahrhundert. In der Unterserie „Konsulate“ erliegen die Berichte von Konsularämtern ab dem späten 18. Jahrhundert (teilweise auch Reste von Konsulatsarchiven, z. B. Travnik) – eine Korrespondenzreihe, die mit der Konsularkorrespondenz des Ministerium des Äußern (06: Politisches Archiv Serie XXXVIII) eine zeitliche Fortsetzung findet. Die Reihe „Deutsche Akten“ birgt Material aus der Tätigkeit der Mainzer Zentral-Untersuchungskommission (1819–1829), also wichtige Quellen zur Geschichte der Zensur und zum europaweiten Netz der demokratisch-nationalen Bewegungen im Vormärz. Mit Hilfe weiterer Aktenreihen (z. B. Notenwechsel der Staatskanzlei mit den übrigen Zentralbehörden am Kaiserhof) lassen sich Einsichten in Entscheidungsmechanismen auf höchster Ebene gewinnen. Ähnliches gilt für die Reihe Vorträge an den Kaiser (1606–1868) mit den kaiserlichen Handschreiben und Konferenzprotokollen. Die Reihe Interiora hat vor allem behörden- und personengeschichtliche Relevanz (Organisierung der Staatskanzlei, Personalia, Orientalische Akademie), gibt jedoch durch die Sammlung von Chiffernschlüssel und Interzepten (aufgefangene Originalbriefe bzw. Abschriften von fremdem Postgut aus den diversen Postlogen) Auskunft über die mitunter subtilen Vorgangsweisen politisch-diplomatischer Kunst. Die Serie Wissenschaft, Kunst und Literatur dokumentiert wissenschaftliche Ambitionen von leitenden Funktionären der Staatskanzlei und ist als Sondersammlung zahlreicher Autographen zu nahezu allen Sparten der Wissenschafts- und Kulturgeschichte von Interesse.

Die Staatenabteilungen (08), deren Akten provenienzmäßig v. a. der Reichskanzlei, der Staatskanzlei, der österreichischen Hofkanzlei zuzurechnen sind (teilweise sind auch Nachlässe und Teile von Gesandtschaftsarchiven integriert), komplettieren die diplomatischen Korrespondenzreihen ab dem frühen 16. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Staatenabteilungen gliedern sich in Nationalia (deutsche Staaten) und außerdeutsche Staaten. Diese Serie zerfällt wiederum in einzelne, chronologisch geordnete Reihen, die den diplomatischen Schriftwechsel mit den jeweiligen Bevollmächtigten Gesandten in Ägypten, Frankreich, Großbritannien, in Rußland und Polen, im Osmanischen Reich enthalten.

Aussagekräftiger als der amtliche Schriftverkehr sind oft „private“ und „halboffizielle“ Briefe und Mitteilungen von Männern, die Diplomatie und Politik betreiben. Derartige Schreiben vom 16. bis zum 19. Jahrhundert, etwa die Korrespondenzen von Karl Philipp Cobenzl oder Prinz Eugen von Savoyen, sind in der Reihe Große Korrespondenz (09) vereinigt, die durch die Collection Diplomatique (09) – eine aus verschiedenen Archiven und literarischen Quellen bestehende Sammlung von Abschriften zur Geschichte Europas 1640–1725 – und die Kriegsakten (09) – Akten aus der Staatskanzlei, aus dem Reichshofrat u. a., die diplomatisch-militärische Kampagnen von 1519–1866 behandeln – ergänzt werden.

Die Revolution des Jahres 1848 und die Ministerialverfassungen schufen neue Zuständigkeiten für die außenpolitischen Agenden: Die Akten des Ministeriums des kaiserlichen Hauses und des Äußern (06) vereinigen im Politischen Archiv die gesamten politisch-diplomatischen Akten von 1848–1918, wobei in einigen Fällen zeitliche Überschneidungen auftreten. Das heißt, Vorakten der Staatskanzlei (bis 1830 zurück) erliegen heute bei den Akten des Außenministeriums, andererseits reichen gewisse Serien der Staatskanzlei/Staatenabteilung bis 1860. Die Akten des Außenministeriums sind zweigeteilt: das sogenannte Politische Archiv teilt sich wiederum in chronologisch geordnete Korrespondenzreihen nach Ländergruppen. Besonders hervorgehoben sei die Serie I des Politischen Archivs, die Material zu entscheidenden Vorgängen der außenpolitischen Maximen, zu Vertragsverhandlungen, zum Ersten Weltkrieg (Kriegsausbruch und Kriegsziele), Denkschriften, Geheimakten, Teile von Nachlässen von Politikern, z. B. von Außenminister Johann Bernhard Graf Rechberg, enthält. Die zweite Gruppe der Akten des Außenministeriums wird Administrative Registratur geannt: diese ist nach thematischen Gesichtspunkten in „Fächer“ gegliedert und enthält dabei nicht nur dienstliche Interna wie Personalia, die Organisierung von Botschaften und Konsulaten, sondern wichtiges Material zu den Mitgliedern des Allerhöchsten Hauses (Fach 1), zu Handelspolitik (Fach 34 und 34: Sonderreihe), zum Thema Kultusprotektorat und Fragen des internationalen Rechts.

Bedeutuend für die Geschichte der politisch-demokratischen Gruppierungen und nationalen Bewegungen, die jedenfalls von (staats-) polizeilichen Stellen durch bezahlte Agenten observiert wurden, sind die Akten von (staats-) polizeilichen Stellen, die unter dem Begriff „Informationsbüro“ (A- und BM-Akten der Polizeibehörde [1849–1867], Registratur des dem Ministerium des Äußern angegliederten Informationsbüros [1868–1908] und die Actes de haute Police [1849–1867]) zusammengefaßt sind.

Die Akten des Literarischen Büros (1864–1918) als Departement des Außenministeriums zur Überwachung und Lenkung der öffentlichen Meinung (Pressewesen) zeigen weitere Aspekte des politisch-diplomatischen Geschäfts der franzisko-josephinischen Ära. Eine Sammlung von diesbezüglich relevanten Zeitungsartikeln in einem Zeitungsarchiv ergänzt die beiden Informations- und Pressestellen des Außenministeriums.

Die Gesandtschafts- und Konsulatsarchive (07), gegliedert in alphabetischer Folge nach den jeweiligen Amtssitzen der Konsularämter und Botschaften, besitzen als eigene Archivkörper zweifellos eigenständigen Quellenwert: sie enthalten Unterlagen über Personen-, Wirtschafts- und Handelsgeschichte, Kultusprotektorat, judizielle Akten aufgrund der Konsulargerichtsbarkeit, Schul- und Sanitätswesen und geben zudem Auskunft über das persönliche Beziehungsnetz der Gesandten und Konsuln in ihrem Dienstort. Die heute archivierten Konsulats- und Gesandtschaftsarchive sind nur ein Bruchteil von den vor 1914 bzw. 1918 vorhandenen Archiven, d. h. nur ein geringer Teil gelangte auch ins Haus-, Hof- und Staatsarchiv, und mit wenigen Ausnahmen (Botschaftsarchiv beim Heiligen Stuhl, Gesandtschaftsarchiv Stockholm, Botschaftsarchiv Berlin) stammen diese Akten aus dem 19. Jahrhundert; hinzukommt, daß ein Teil der Gesandtschaftsarchive in die Korrespondenzreihen der Staatskanzlei und Staatenabteilung eingelegt wurden.


Habsburgisch-lothringische Hausarchive

Die Habsburgisch-lothringischen Hausarchive (10) , deren Bestandteile (Familienakten, Familienkorrespondenz, Sammelbände, Handarchiv Kaiser Franz) beinahe selbstredend den Inhalt preisgeben, geben Auskunft über das Zeremoniell bei Taufen, Hochzeiten und Tod (Verlassenschaften), über Hofreisen und Vermögensangelegenheiten, über die Ambitionen des Hauses Habsburg als Kunstmäzene, über „Privates“ und „Politisches“. Den genannten Reihen ist eine Reihe von Nachlässen von Mitgliedern des Allerhöchsten Kaiserhauses angeschlossen: Archiv Maximilian von Mexiko, Selekt Kronprinz Rudolf, Archiv Montenuovo, die Nachlässe Ludwig Salvator und Franz Ferdinand (Depot Hohenberg), Selekt Chambord und die Tagebücher von Erzherzogin Sophie, die ebenso wie der Nachlaß Franz Ferdinand nur nach schriftlicher Bewilligung für die Forschung zugänglich sind. Als eigenständige Archivkörper der Gruppe (10) sind das Lothringische Hausarchiv und das Estensische Familienarchiv zu nennen.


Kabinettsarchiv

Das Kabinettsarchiv (11) vereinigt die Schriftnachlässe von Herrscherkanzleien im weitesten Sinn sowie Registraturen der staatlichen Zentralbehörden (Staatsrat, Staatskonferenz, Reichsrat) – mit einer Serie von Handschriften (Bittschriften, Handbillettenprotokollen) – in einem Zeitraum von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis 1918. Spätestens ab Mitte des 18. Jahrhunderts war das kaiserliche Kabinett auch mit politischen, vor allem außenpolitischen Agenden befaßt. Mit Kaiser Franz II. (I.) und den Reformen seiner Regierungszeit wurde die Verbindung zwischen der kaiserlichen „Schreibstube“ und Behörden (Staatsrat, Staatskonferenz) noch enger, sodaß die von den Kabinettsreferenten als vertraute und persönliche Gutachter der Kaiser Franz und Ferdinand produzierten Aktenmengen in das Archiv des Staatsrates und von dort in das Haus-, Hof- und Staatsarchiv gelangten. Die Alten Kabinettsakten dagegen sind Akten, „die beim Monarchen zurückblieben und sich anhäuften“, und betreffen in erster Linie Fragen der inneren Verwaltung der habsburgischen Länder, Wirtschafts- und Finanzgeschichte des 18. Jahrhunderts.

Die sogenannten Vertraulichen Akten und Kaiser-Franz-Akten, ursprünglich Teile des sogenannten Handarchiv Kaiser Franz (heute Teil der habsburgischen Familienarchive) entstanden parallel zum Kabinettskanzleiarchiv (1802–1848) unter Kaiser Franz II. (I.) als ein eigenes Archiv von Schriftstücken, die der Kaiser rasch zur Hand haben und vertraulich behandelt wissen wollte. Die Kaiser-Franz-Akten dokumentieren ständische und Verwaltungsangelegenheiten der österreichischen Provinzen während der Neu (Um-) Organisierung zur Zeit der napoleonischen Kriege. Die darin enthaltenen Reste des Nachlasses von Franz Karl Kressl, Präses der geistlichen Hofkommission, betreffen die Aufhebung des Jesuitenordens; Visitationsberichte von Bischöfen (insgesamt 10 Aktenfaszikel) erläutern Schulwesen und Volksfrömmigkeit. Die Vertraulichen Akten bieten auch in Form von Verhörsprotokollen und konfisziertem Material Informationen über Freimaurerlogen, Geheimgesellschaften und Sympathisanten der französischen Jakobiner.

Die Serien des Kabinettsarchivs, die die Zeit von 1848 bis 1918 betreffen (Vorträge, Ministerratsprotokolle 1848–1867, Geheimakten [Memoires zu innen- und außenpolitischen Fragen, Nachlaß des Fürsten Felix Schwarzenberg] sind wohl bekannte Quellen zu Innenpolitik, Verwaltung und Verfassung des Habsburgerstaates. Ähnliches gilt für die Nachlässe der Kabinettskanzlei: Genannt sei der Nachlaß des Johann Freiherr Kempen von Fichtenstamm (1852–1859 Chef der obersten Polizeibehörde); der Nachlaß des Feldmarschall Franz Moritz Graf Lacy (1725–1801); der Nachlaß des Leopold Graf Kolowrat (1727–1809) und der Nachlaß Zinzendorf mit Schriftgut zu Wirtschafts- und Finanzfragen des 18. Jahrhunderts; die Tagebücher des Karl Graf Zinzendorf für die Zeit von 1752 bis 1813 bieten überdies einmalige Aufzeichnungen zu Kultur- und Mentalitätsgeschichte des späten 18. Jahrhunderts.

Aus der Registratur des Staatsrates, zwischen 1760 und 1848 beratendes Kollegium zur Behandlung von Fragen der Verwaltung und Politik, sind aufgrund der Zerstörungen 1945 nur mehr Aktenreste (ab 1834) und die Geschäftsbücher (Indizes, Protokolle) erhalten geblieben. Ebenso wichtig für Verwaltung und Verfassung ist die Registratur des (verstärkten) Reichsrates (1851–1868), der als Beratungsgremium ohne Initiativrecht ähnliche Funktionen wie Staatsrat und Staatskonferenz vor 1848 hatte, gefolgt vom sogenannten Jüngeren Staatsrat (1861–1868), der den Kaiser und sein Ministerium „mit der Einsicht, den Kenntnissen und der Erfahrung seiner Mitglieder zur Erzielung fester, gereifter und übereinstimmender Grundsätze beratend zu unterstützen“ hatte.


Hofarchive und Akten der Habsburgisch-lothringischen Vermögensverwaltung

Die Hofarchive (12) vereinigen die Archive der Ämter und Hofdienste, die die verschiedenen Verwaltungs-, Gerichts- und Ehrendienste am herzoglichen bzw. kaiserlichen Hof zu besorgen hatten. Der gesamte Hofstaatsdienst wurde im wesentlichen von vier obersten (mit zahlreichen nachgeordneten) Ämtern geleitet: Obersthofmeisteramt, Oberstkämmereramt, Obersthofmarschallamt und Oberststallmeisteramt. Zu diesen Hauptgruppen existieren heute weitere Archivalienserien wie jene des Oberstjägermeisteramtes (mit Jagdrevierbeschreibungen aus dem 16., Landkarten und Plänen aus dem 18. Jahrhundert), des Hofwirtschaftsamtes, der Hofmusikkapelle (1757–1900), der Hofapotheke, der Hofburgpfarre, des Hofrechnungsdepartements (Hofkammerzahlamt) und des Hofbauamtes. Mit wenigen Ausnahmen (Hofstaatsverzeichnisse, Zeremonielldepartement und „Hofparteienprotokolle“ des Obersthofmeisteramtes) setzen diese Serien um die Mitte des 18. Jahrhunderts ein und reichen bis 1918/1920. Sie dokumentieren Zeremoniell bei Hof, Audienz und Repräsentation – im weitesten Sinne Ausdrucksformen kultureller Begegnung –, enthalten zahlreiche rechtsverbindliche Dokumente (Verlassenschaften, Testamente) und Unterlagen zur Geschichte der Wiener Museen, Kunstsammlungen, Naturalienkabinette und Hofbibliothek. Ohne die schriftlichen Überlieferung der Hoftheater- und Hofopernverwaltung (nach 1918/1922 Bundestheaterverwaltung) mit seinen zahlreichen Autographen von Direktoren, Künstlern, Musikern und Schauspielern ist eine fundierte Wiener Theater- und Musikgeschichte kaum denkbar. Im Jahr 1916 wurde das Departement für Ordensangelegenheiten im Obersthofmeisteramt zentralisiert und die neue Ordenskanzlei übernahm bei dieser Gelegenheit auch die bereits existierenden Kanzleien des Leopoldordens, Franz-Joseph-Ordens und des Ordens der Eisernen Krone.

Die Akten der Habsburgisch-lothringischen Vermögensverwaltung (13) (Familienversorgungsfond, Privat- und Familienfond bzw. Kriegsbeschädigtenfond) sind hervorgegangen aus dem Familienversorgungsfond, dem sogenannten Avitikal- und Patriomonailfond. 1886/87 wurde die Generaldirektion der ah. Privat- und Familienfonde als Zentralverwaltung des gesamten mobilen und immobilen Privatvermögens des Allerhöchsten Kaiserhauses geschaffen und 1919/1925 in Form des Kriegsbeschädigtenfonds verstaatlicht. Die Arcivalien bieten vor allem für die Herrschafts- und Regionalgeschichte und zur Entwicklung der Land- und Forstwirtschaft mit den seit Mitte des 18. Jahrhunderts in geschlossener Reihe vorliegenden Akten über Verwaltung der großen kaiserlichen Domänen (Schloßverwaltungen von Schönbrunn, Baden, Belvedere, Salzburg-Hellbrunn, Hetzendorf, Laxenburg-Vösendorf und Innsbruck-Ambras sowie u. a. die Herrschaftsarchive Eckartsau, Hof an der March (Schloßhof), Leiben, Luberegg, Großenzersdorf) wertvolles Quellenmaterial.


Urkundenabteilungen, Siegel (abguß)- bzw. Typarsammlungen

Die Gruppe 14 umfaßt Urkundenabteilungen, Siegel (abguß)- bzw. Typarsammlungen. Die Allgemeine Urkundenreihe war lange Zeit eine lebendige Urkundenregistratur, d. h. seit dem späten 18. Jahrhundert wurden Verträge, Staats- und Familienurkunden im Haus-, Hof und Staatsarchiv hinterlegt; diese Reihe beginnt mit dem Jahr 1816 und endet heute mit dem Jahr 1918, die jüngere Serie der Staatsurkunden erliegt heute im Archiv der Republik. Die Allgemeine Urkundenreihe mit rund 85.000 Urkunden enthält die bekanntesten „Originale“ österreichischer und europäischer Geschichte: Die Goldene Bulle Kaiser Karls IV. (1356), die sogenannten österreichischen Freiheitsbriefe (Fälschungen um 1358/59), der Mailberger Bund von 1451 (mit 254 (!) Siegeln), die internationalen Vertragswerke der neueren Geschichte wie die Friedensverträge von Münster und Osnabrück (1648), die Schlußakte des Wiener Kongresses (1815), Verfassungsurkunden wie das Oktoberdiplom (1860) und das Februarpatent (1861), den sogenannten Dreibund zwischen Österreich-Ungarn, Deutschland und Italien (1882) ebenso wie die erste urkundliche Erwähnung des heutigen Mattersburg in der ungarischen Königsurkunde von 1202.

Die Reihe der Habsburgischen Familienurkunden war ursprünglich Teil des Familien- und Hausarchivs bzw. der allgemeinen Reihe der Urkunden. Diese wurden aber um 1858 in eine separate Urkundenreihe ausgesondert und enthalten heute Hausordnungen, Testamente, Heiratsverträge aus einer Zeit von 1239 bis 1918. Als separate Urkundenreihen, abgesehen von jenen, die einzelnen Herrschafts- und Familienarchiven (Grafenegg, Auersperg: siehe Gruppe 19) angehören, existieren weiters die Niederländischen Urkunden (1277–1792), die Lothringischen Urkunden (1170–1753) und die Türkischen Urkunden und Staatsschreiben (1503–1841). Diese letztgenannte Reihe wurde nach dem Betreffgrundsatz als „eigene Sektion von Archivalien, die sich auf die Verhältnisse gegen die Türken und den Orient überhaupt beziehen“ gebildet. Der Großteil dieser Sultans- und Großwezirsschreiben (1527–1860) stammt v. a. aus den Archiven der Reichskanzlei und der Staatskanzlei. In den Staatenabteilungen (Türkei) finden sich zu diesen Originalschreiben (z. B. Ratifikation des Sultans Mustafa II. zum Friedensvertrag von Karlowitz 1699) Abschriften und Übersetzungen.

Die beiden bedeutendsten Siegelabgußsammlungen des Haus–, Hof- und Staatsarchivs, die Smiterische und Savasche Sammlung, zählen zusammen etwa 20.000 Exemplare. Die Sammlung der Siegelstempel und Typare reicht von der Zeit von Kaiser Ferdinand I. bis zum Ende der Habsburgermonarchie – Sammlungen also, die die Originalsiegel der Urkunden der genannten Reihen komplettieren, wo doch Siegel nicht nur für diplomatische, heraldisch-genealogische Studien, sondern in zunehmenden Maße auch für kunsthistorische Untersuchungen herangezogen werden.


Handschriftensammlungen

Die Handschriftensammlungen (15) verdanken ihre Entstehung und heutige Form dem lange vorherrschenden Grundsatz der Archivierung nach äußeren Merkmalen. Ohne Rücksicht auf Provenienz sind heute Handschriften aus dem Schatzkammerarchiv, der Hofbibliothek, den Reichsarchiven, den Archiven der Staats- und Kabinettskanzlei, aus Klösterarchiven, aus Sammlungen und Nachlässen aneinandergereiht und durch ein gedrucktes Inventar vollständig erschlossen. Als separate Einheit sind die Orientalischen Handschriften der Konsularakademie (mit Handschriften von der Mitte des 14. bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts), die dort zu Studienzwecken Verwendung fanden, angeschlossen. Die Hauptreihe der Handschriftensammlung umfaßt reich illuminierte Handschriften, kopiale Überlieferungen von Urkunden, Abschriften diplomatischer Korrespondenzen (mit beigebundenen Drucken), teilweise auch gebundene Originalschreiben (vor allem für die Zeit von Kaiser Rudolph II.), Urbare, Lehenbücher, Reise- und Gesandtschaftsberichte, der zeitliche Rahmen erstreckt sich vom 10. bis ins 20. Jahrhundert.


Österreichische Akten, Ungarische Akten, und Klosterakten

Die Gruppe Österreichische Akten (16) und Ungarische Akten (17) umfaßt neben Akten, die aus dem Geschäftsgang der Reichskanzlei und der Staatskanzlei hervorgegangen sind, auch Provenienzen von Behörden (Grazer und Innsbrucker Geheimer Rat), die zur Zeit der Länderteilungen im 16. und 17. Jahrhundert die höchsten Beratungsgremien der innerösterreichischen und tirolischen Landesfürsten waren. Die Trennung der Archivalien nach äußeren Kriterien in Urkunden, Bücher (Handschriften) und Akten einerseits und dem Betreffgrundsatz andererseits, d. h. der Zusammenlegung von Archivalien nach thematischen Betreffen oder einfacher chronologischer Ordnung, war ausschlaggebend für die Enstehung der Österreichischen Akten, die nach Ländern (Niederösterreich, Oberösterreich, Krain, Kärnten, usw. ) unterteilt ist. Wichtiger Bestandteil dieser Gruppe sind die Akten des Österreichischen Reichstags von 1848/1849. Ähnlich wie die Österreichischen Akten entstanden auch die Ungarischen Akten als einfache Aktenablagen, später als ein „verworrenes Gemisch zahlreicher Archivsplitter“, und umfassen mehrere, chronologisch geordnete Unterserien zur Geschichte der Länder der Stephanskrone, zur Geschichte der kriegerischen Auseinandersetzungen der Habsburger mit den Osmanen. Die Klosterakten (16) entstanden durch die Säkularisationen zu Beginn des 19. Jahrhunderts, enthalten Reste von Archiven aufgehobener Klöster (darunter auch Archive von Jesuitenkollegien) und Registraturen von nachfolgenden Behördenschöpfungen (NÖ. Kameraladministration bzw. NÖ. Staatsgüter-Administration).


Italien-Spanischer Rat, Niederländisches Departement (Belgien)

Unter der Bezeichnung Italien-Spanischer Rat (17) sind die Aktennachlässe jener Wiener Zentralbehörden des 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts zu verstehen, die nach dem Ende des spanischen Erbfolgekrieges zur Verwaltung der ehemals spanischen, nun österreichisch gewordenen Nebenländer Italiens eingerichtet worden sind: Supremo Consejo de España (1702–1736), Consiglio d’Italia (1736–1756), Dipartimento d'Italia der Staatskanzlei (1755/57–1798) und die italienische Hofkanzlei (1793–1805).

Das Niederländisches Departement (Belgien) (18) hat u. a. durch „unsystematische Archivalienauslieferungen“ (1856–1875) und „unsachkundige“ Ordnungsarbeiten schwer gelitten. Im wesentlichen können heute drei Gruppen (ohne Niederländische Urkunden, siehe Gruppe 14) unterschieden werden: 1. Teile der Registraturen Kaiser Karls V. und seiner Statthalterinnen Margarete und Maria (16. Jahrhundert); 2. Diplomatische Korrespondenz mit Großbritannien und Frankreich unter Erzherzog Albert und Erzherzogin Isabella aus der Zeit der spanischen Herrschaft in den Niederlanden; 3. Teile der Registraturen der Wiener und Brüsseler Behörden für die österreichischen Niederlande aus der Zeit von 1713 bis 1794.

Das Archiv von Florimond Mercy-Argenteau (um 1750–1793), dessen „amtliche“ Korrespondenz als Botschafter in Paris bei den Akten der Staatenabteilung-Frankreich erliegt, und die Papiers du Baron Marc de Fonseca (Deffonseca) (1712–1735) sind dieser „Belgien-Gruppe“ angeschlossen.


Nachlässe, Herrschafts- und Familienarchive und Sonderbestände

Die Gruppe 19 (Nachlässe, Herrschafts- und Familienarchive und Sonderbestände) umfaßt eine Reihe von Nachlässen und Archiven, die einerseits als Depots im Haus-, Hof- und Staatsarchiv hinterlegt und nur nach Bewilligung des Eigentümers der Forschung zugänglich sind, andererseits aber die bereits genannten Registraturen und Archivalienserien in vieler Hinsicht ergänzen und komplettieren: Erwähnt seien die Nachlässe Alois Lexa Graf Ahrenthal, Joseph Maria Baernreither, Leopold Graf Berchtold, Egon Caesar Conte Corti, Josef und Oskar Lasser, Ignaz und Ernst Plener, Friedrich Gentz, das Archiv der Grafen Stadion, die Tagebücher von Anton Freiherr von Prokesch-Osten und (meist als Depots) die Herrschafts- bzw. Familienarchive Auersperg, Csáky, Erdödy, Pálffy, Grafenegg, Guntersdorf, Rosenau und Walpersdorf.

Aus dieser (unvollständigen) Aufzählung hervorgehoben müssen drei weitere Bestandteile der Gruppe 19 werden: Das Archiv der Orientalischen Akademie (seit 1898 Konsularakademie), die Karten- und Plansammlung (Landkarten und Architekturpläne) und das Archiv des Ordens vom Goldenen Vlies (Depot). Das Archiv dieses im 15. Jahrhundert „zur Ehre Gottes, zur Beförderung des christlichen Glaubens und zur Pflege der ritterlichen Tugenden“ gegründeten Ordens zählt mit seinen Pergamenturkunden und reich illuminierten Handschriften zu den wertvollsten Schätzen im Haus-, Hof- und Staatsarchiv.