Endungen und Besonderheiten baltischer Familiennamen

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Die besonderen Formen der memelländischen Familiennamen

Die meisten memelländischen Familiennamen sind baltischer Herkunft und wurden von einer Bevölkerung getragen, die größtenteils litauischsprachig war. Im Gegensatz zu den deutschen Familiennamen sind preußisch-litauische, wozu die meisten memelländischen gehören, stärken Veränderungen unterworfen, die Familienforschern, die noch am Anfang ihrer Forschungen stehen, gewöhnlich Anfangsschwierigkeiten bereiten.

Dazu zählen folgende Punkte:

  • besondere Endungen für unverheirate und verheiratete Frauen
  • regionale und dialektale Unterschiede in der Bildungsweise
  • Übergang von deutschen Namen in litausche Formen und umgekehrt


Besondere Endungen für unverheirate und verheiratete Frauen

Als Beispiel soll ein häufiger Familiennamen aus dem Memeland gelten: Naujoks (dt. ungefähr Neusasse, Neumann).

Der Vater heißt Jurgis Naujoks (Jurgis = dt. Georg, siehe dazu Memelländische Vornamen). Die ledige Tochter dieses Jurgis Naujoks heißt im Kirchspiel Prökuls memelländisch-litauisch Naujokate, wobei die Endung -ate an den Stamm Naujok- unter Hinwegnahme des -s gesetzt wurde und ungefähr dem veralteten deutschen "Fräulein" entspricht, also Fräulein Naujoks. Da die Endung -ene verheiratete Frauen bezeichnet, heißt die Ehefrau des Jurgis Naujoks folgerichtig Naujokene, übersetzt ungefähr wie die Naujoksche, die Naujokin (allerdings ohne abfälligen Nebensinn) oder einfach Frau Naujoks.


Regionale und dialektale Unterschiede in der Bildungsweise

Findet man nun die Endung -ene für verheiratete Frauen im gesamten Memelgebiet, so ist die Endung für unverheiratete Frauen regional stark unterschiedlich. Wanderte man ein wenig weiter nördlich aus dem Kirchspiel Prökuls in das Kirchspiel Memel Land, so fand man besonder im frühen 19.Jahrhundert dort statt -ate häufiger die Endung -alle, dort hieß die Tochter des Jurgis Naujoks also Naujokalle. Wanderte man aber statt nach Norden in Richtung Süden, nach Werden, Kinten oder Ruß, so fand man dort häufiger die Endung -ikke, also Naujokikke.

Es gab außerdem noch im 18.Jahrhundert statt -ate die Form -acze, dazu noch Sonderformen auf -aus von Familiennamen auf -us wie Wenskus, die einen Genitiv darstellen, so dass für ein und dieselbe Person Naujoks folgende Formen in Kirchenbüchern gefunden werden können: Naujokate, Naujokalle, Naujokikke, Naujokacze, wobei orthographische Abweichungen noch gar nicht berücksichtigt sind.

Diese Formen können in den Kirchenbücher besonders bei den Taufen nachgeprüft werden, wo die Mütter mit ihren Mädchennamen (im eigentlichem Sinne des Wortes !) auftauchen. Die Namensformen für verheiratete Frauen auf -ene finden sich häufig in Heiratsregistern, wenn Witwen heiraten. Dann steht dort "die Witwe Naujokene geb. Wenskate heiratet ...".


Übergang von deutschen Namen in litausche Formen und umgekehrt

Gänzlich verwirrt wird dann jemand, der gestern noch glaubte, Mueller mit "ue" hätte nicht mit denen auf "ü" zu tun, wenn dann noch die Familiennamen durch die Sprachen wandern: Ja, die Liebe fällt hin wo sie will. So heiratete ein Memelländer, dessen Muttersprache das Deutsche war, auch einmal eine memelländisches Litauerin oder umgekehrt. Gegen das Ende des 19.Jahrhundert war man sowieso vielerorts zweisprachig. Der glücklich Vermählte mag Georg Herrmann geheißen haben, so wird aus ihm, da er zu seiner memelländisch-litauische Frau und deren Verwandschaft gezogen war bei der Taufe ihres Kindes eine Jurgis Ermons. (Jurgis = Hermann)