Platjenwerbe und Stubben / Opfer von Krieg und Gewalt
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Erster Weltkrieg 1914-1918
Platjenwerbe
Einweihung des Kriegerdenkmals in Platjenwerbe am 26. Juni 1921
Aus der Schrift zur Einweihung des Denkmals
Am 20. Februar 1920 wurde vom Gemeinde-Ausschuß beschlossen, den Söhnen und Mitgliedern unserer Gemeinde, welche in dem großen Kriege ihr Leben gelassen haben, ein würdiges Denkmal zu setzen.
Ein Entwurf von Herrn Gartenarchitekt Chr. H. Roselius wurde zur Ausführung bestimmt.
In großer Dankbarkeit für unsere Gefallenen haben sich unsere Bewohner des Denkmalbaues angenommen; die Gemeinde hat sich, jeder nach besten Kräften, selbst geholfen und die geplante Durchführung ermöglicht. Die von den vielen Bewohnern gestifteten Feldsteine wurden vom erfahrenen Maurermeister Christoffer Eilers, Lesum, mit seinen Gehilfen kunstgerecht zusammengebaut, die Bronze-Tafel von einer Dresdner firma in besonders schöner getriebener Handarbeit geliefert.
Am Eingange zum Ehrenmale halten gleichsam Wache zwei größere Findlinge. Der linke wurde von dem Mitbürger Meyer gestiftet. Der Stein hat hier im Dorfe wohl über 120 Jahre dem Schmiedehandwerk gedient. - Der rechte Findling wurde der Tiefe unserer Sandgrube entnommen. Alle, die mitgeholfen haben, diesen schweren Stein seinem schöneren Berufe zuzuführen, werden gewiß noch in späteren Jahren des denkwürdigen Transport-Abends gedenken.
Die gärtnerischen Arbeiten wurden von kundiger Hand ausgeführt und während der großen Trockenheit liebevoll gepflegt.
Ihnen allen, die so geholfen haben, gebührt unser besonderer Dank.
So wird kommenden Geschlechtern einst Zeugnis geben von einer großen, traurigen Zeit - aber auch Zeugnis ablegen von Opfersinn und Liebe zur heimatlichen deutschen Erde.
Möge den kommenden Geschlechtern aus den Gebeinen unserer Gefallenen dermaleinst eine größere, hoffnungsvollere Zeit entstehen.
Seedorf
Vorsteher der Gemeinde.
Leider wird die Bronzetafel gestohlen, sie wurde durch eine einfache Steintafel mit der Inschrift:
Den Opfern
Zweier Weltkriege
Zum Gedächtnis
1914 - 18 1939 - 45
- Bröcker, Arend, aus Platjenwerbe Nr.52 = Koppelweg Nr.24
- gefallen 24.08.1915 bei Mariampol (Litauen), dort begraben
- Schulterschuß, Schuß durch beide Oberschenkel, Gasvergiftung
- Eickhoff, Friedrich, aus Platjenwerbe Nr.24
- gefallen 17.07.1916 an der Somme
- Tischler
- Harenborg, Hermann, aus Platjenwerbe Nr.49 = Schulstraße Nr.15
- gefallen 29.07.1917 Galizien
- Maschinenbauer
- Harenborg, Johann
- gefallen 19.11.1916 bei Miraumont (Frankreich)
- Hashagen, Hermann, aus Platjenwerbe Nr.43 = Lindenstraße Nr.28
- gefallen 07.09.1914 Biala (Ostpreußen), dort begraben
- Kopfschuß
- Gefreiter, Dreher auf der A.G.Weser in Bremen
- Hashagen, Hinrich, aus Platjenwerbe Nr.15
- gestorben 29.08.1915 in Frankreich (Lazarett), dort begraben
- Ruhr
- Stellenanerbe
- Kröger, Wilhelm, aus Platjenwerbe Nr.7a
- gefallen 07.09.1916 an der Somme
- Arbeiter
- Meyer, August, aus Platjenwerbe Nr.60
- gefallen 10.08.1915 Krasme, dort begraben
- Wirbelsäulenschuß und Oberschenkelbruch
- Maurermeister
- Murken, Hinrich, aus Platjenwerbe Nr. 6
- gefallen 15.04.1916 bei Dünaburg
- Arbeiter
- Niebank, Heinrich, aus Platjenwerbe Nr.27
- gefallen 12.12.1918 Rußland (?)
- Arbeiter
- Sievers, Johann, aus Platjenwerbe 29a
- gestorben 16.09.1916 Frankreich
- Verwundung
- Arbeiter
- Tiedemann, Albert, aus Platjenwerbe Nr.62
- gefallen 24.06.1917 Frankreich
- Maurer
Leider wird die Bronzetafel gestohlen, sie wurde durch eine einfache Steintafel mit der Inschrift:
Den Opfern
Zweier Weltkriege
Zum Gedächtnis
1914 - 18 1939 - 45
Stubben
- Behrens, Albert
- gefallen 05.10.1916 an der Somme
- Hashagen, Friedrich, aus Stubben Nr.18
- vermißt 20.10.1918 Westfront
- Hofbesitzer
- Jachens, Hermann, aus Stubben Nr. 5
- gestorben 27.11.1914 Rostock, in Lesum begraben.
- schwere Krankheit während der Ausbildung
- Kaufmann
- Meyer, Friedrich
- gefallen 15.04.1917 Verdun
- Meyer, Wilhelm, aus Stubben Nr.23
- gefallen 31.01.1915 bei Arras
- Maurer
- Rodenberg, Johann, aus Stubben Nr.6a
- verwundet 11.04.1915 bei St.Pierre Dinon, bald darauf verstorben, dort begraben.
- Granatsplitterwunden am Hals, Rücken und Bein
- Werftarbeiter
- Strudthoff, Hermann
- gefallen 15.10.1918 Frankreich
- Wessel, Hinrich, aus Stubben Nr.21
- gefallen 30.10.1916 Frankreich
- Tischler
Quelle: KRUMPETER, Jürgen: Platjenwerbe und Stubben: Gang durch die Geschichte, Osterholz-Scharmbeck, 1985, S.36-37.
1933-1945 - Militärangehörige und Zivilpersonen aus Platjenwerbe
Diese Aufstellung befindet sich im Aufbau. Leser werden gebeten, gegebenenfalls Ergänzungen an die Kontaktadressen zu melden.
In Kriegshandlungen gefallene und vermißte sowie in Gefangenschaft gestorbene Soldaten
| Nachname | Vorname | Geburtsdatum | Sterbedatum | Ort/Frontabschnitt | Dienstgrad/Funktion | Letzter Wohnort |
| Behrens | Friedrich | 08.04.1914 | 14.06.1942 | Warschau, Rela.I | Obergefreiter | Stubbenerstr. |
| Brinkmann | Dieter | 13.11.1921 | 25.12.1944 | Daleiden/Trier | Obergefreiter | Wollaherstr. |
| Buschhorn | Günter | 16.11.1926 | Dorfstraße | |||
| Dodt | Bernhardt | 09.05.1925 | 27.01.1945 | Lenas, südl. Schrunden/Lettland | Grenadier | Schulstraße |
| Feldhusen | Johann | 13.09.1946 | Lazarett in Oberneuland | Dorfstraße | ||
| Gerull* | Ernst | 06.08.1942 | Obergefreiter | St. Magnusstr. | ||
| Harenborg | Louis | 28.04.1909 | 08.06.1940 | Doullens/Frankreich | Oberleutnant | Fredeholz (Pl. 22) |
| Hashagen | Alfred Adolf | 06.12.1914 | 30.11.1942 | H.V.Pl. Sanko 2/290/Rußland | Unteroffizier | Schulpfad |
| Hashagen | Martin H. | 05.01.1924 | 05.07.1943 | Krasnaja Slobotka/Orel | Grenadier | Dorfstraße (St. 03) |
| Hasselbach | Heinz | 16.03.1920 | 08.03.1942 | Kishkino, Rußland | Gefreiter | Auf der Heide 1 (St. 11) |
| Kettenburg | H.Günther | 16.03.1925 | 01.06.1944 | Rocca Priora/Italien | Kanonier | Schulpfad |
| Likrau | Edelbert | 27.02.1913 | 01.07.1941 | Nordausgang Jeziornica/Weißrußland | Koppelweg | |
| Müller* | Gerhard | 11.12.1923 | 13.01.1945 | Deutschland | Obergefreiter | Stubbenerstr.(Tiedemann) |
| Nietert | Georg | 17.10.1904 | 17.05.1944 | Res. Lazarett Warschau | Obergefreiter | Auetalweg (Pl. 30) |
| Orthmann* | Waldemar | 25.09.1919 | 26.09.1944 | Frankreich | Seefahrerstr. | |
| Schnibben | Fred | 31.12.1927 | 01.03.1945 | Greifenhagen/Kolbitzow | Auetalweg (Pl. 30) | |
| Schrader | Heinrich | 23.05.1910 | 07.02.1943 | Woronesh/Gremajatschje, Rußland | Schmiedeweg 15 (Pl. 36) | |
| Schrader | Bernhard | 17.08.1912 | 26.12.1942 | Krakau | Feldwebel | Schmiedeweg 15 (Pl. 36) |
| Schrader | Alfred | 08.06.1919 | 30.03.1942 | H.V.Pl. Usadba, B.Shistra | Obergefreiter | Schmiedeweg 15 (Pl. 36) |
| Seebeck* | Christian | 21.09.1912 | 09.03.1945 | Lazarett in Oldenburg | Wachtmeister | |
| Siemer | Heinrich | 15.04.1924 | 28.10.1943 | Krugi, Dymer/Ukraine | Grenadier | St. Magnusstr. (Pl. 14) |
| Wessel | Albert | 19.06.1911 | 02.02.1942 | Subzow/Rußland | Gefreiter | Stubbenerstr. |
| Wolf | Dietrich | 1902 | 06.11.1946 | Lagerkrh. 3318 Sewastopol | Obergefr./Schütze | Auetal-Weg 3 (Pl. 21) |
| Wulf* | Johann | 10.08.1908 | 13.08.1944 | Sidgunde/Lettland | Gefreiter | Auetalweg 3 |
Durch unmittelbares Kriegsgeschehen im Ort getöteter Bewohner
| Nachname | Vorname | Geburtsdatum | Sterbedatum | Ort | Letzter Wohnort | |||
| Köster | Hermann | 21.01.1869 | 26.04.1945 | Schulstraße - getroffen von einer Artilleriegranate | Auf dem Kamp (Pl. 33) |
Durch Ermordung ums Leben gekommene Personen
| Nachname | Vorname | Geburtsdatum | Sterbedatum | Ort | Letzter Wohnort | |
| Sinasohn | Leopold | 22.01.1877 | 10.11.1938 | Platjenwerbe - von SA in seinem Haus erschossen | Dorfstr. 62 | |
| Banehr | Ella Margarete | 14.05.1916 | 02.05.1944 | Filiale Irsee der Heil- und Pflegeanstalt Kaufbeuren - Ermordung nach Euthanasie-Gesetzgebung | Linden-Str. (Pl. 7) |
Die Ermittlung der Personen erfolgte durch Befragung der älteren Dorfbewohner im Jahre 2009.
Die mit * gekennzeichneten Personen wurden von Jürgen Krumpeter in seiner Schrift "Gang durch die Geschichte Platjenwerbe und Stubben" zusätzlich benannt.
Die Daten für die Wehrmachtsangehörigen sind, soweit vorhanden, aus dem "Gräbernachweis des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V." entnommen.
Stand der Ermittlungen: 06.11.2009
Leopold Sinasohn (Jude)
Leopold Sinasohn,
geb. 22.01.1877 in Naumburg, ermordet in der Reichsprogromnacht am 9./10.11.1938 in Platjenwerbe
Leopold Sinasohn, jüdischer Herkunft, wurde in Naumburg/Saale geboren. Seine Eltern, der Kaufmann Emanuel Sinasohn und Anna Sinasohn, geb. Mendershausen, verzogen von dort nach Berlin, wo Leopold das Mechanikerhandwert erlernte. Anschließend fuhr er mehrere Jahre zur See, bevor er seinen Militärdienst in Frankfurt an der Oder leistete.
1909 heiratete Leopold Sinasohn Emma Königsmark (1888-1933) aus Parey bei Magdeburg. Mit ihr zog er 1911 nach Kiel, als er dort eine Anstellung als Elektromonteur bei Siemens-Schuckert-Werke AG gefunden hatte. Noch im gleichen Jahr versetzte ihn die Firma in ihre Abteilung "Schiffbau" bei der Werft AG "Weser" in Bremen, wo er zum Obermonteur und Mitglied des Technischen Büros avancierte und sogar mit der Montageaufsicht beim Einbau elektrischer Anlagen auf Kriegs- und Handelsschiffen betraut wurde.
Das Ehepaar Sinasohn wohnte in der nähren Umgebung der Werft in Gröpelingen, die Söhne - Paul am 8. Mai 1912 und Waldemar am 14.11.1913 - wurden hier geboren. 1914 zog die Familie nach Platjenwerbe, das Dorf wurde zu ihrem Heimatort. Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs zur Marine einberufen, kehrte Leopold Sinasohn schon 1917 in seine Firma zurück, vom "Waffendienst" dank seiner hohen Qualifikation freigestellt.
Durch Fleiß und Sparsamkeit konnten die Sinasohns ein Grundstück in Platjenwerbe erwerben und ein Haus in der Dorfstr. 62 bauen. Sie fühlten sich bis in die Nazizeit hinein von der Dorfgemeinschaft "völlig akzeptiert". Die Söhne wurden im Sinne ihrer Mutter christlich erzogen. Im Dorf spielten Paul und Waldemar, in späterer Zeit auch ihr nachgeborener Bruder Karl-Heinz, eine überragende Rolle als Vereinssportler, ihre Eltern nahmen am gesellschaftlichen Leben des Ortes ebenso regen Anteil.
Als Emma Sinasohm 1929 schwer nierenkrank wurde, änderte sich das bis dahin frohe Leben im Hause Sinasohn. Am 17.02.1933, kurz nach dem Machtantritt der Nazis, entließ man Leopold Sinasohn aus seiner Firma, angeblich wegen "Arbeitsmangels"; im Oktober des gleichen Jahres starb seine Frau. Nachbarn und Freunde kümmern sich um den bescheidenen Mann, der dem Männerchor und der Feuerwehr angehörte und dem das Dorf zum Teil die Elektrifizierung verdankte, wie Bäckermeister Arnold Bruns zitiert. Aber Trauer und Existenzangst und die Sorge um die Zukunft seiner vom Arierparagraphen bedrohten Söhne verdüsterten seine letzten Lebensjahre.
Nach der Reichsprogromnacht schleicht sich in den frühen Morgenstunden des 10. November 1938 ein in Lesum zusammengestellter SA-Trupp in die Dorfstraße, holt den 61-jährigen Leopold Sinasohn aus dem Bett, tötet ihn mit mehreren Schüssen und verscharrt den Leichnam nach einem gespentisch anmutenden Transport auf einer Wiese in der Nähe des Gasthauses "Lambckens Garten" in Wollah. Dort wird das Platjenwerber Opfer des nationalsozialistischen Terrorregimes wenig später entdeckt, weil ein Arm aus dem Acker ragt. Leopold Sinasohn hat danach seine letzte Ruhestätte auf dem Lesumer Friedhof gefunden.
Die Verfolgung der Familie Sinasohn hatte damit kein Ende gefunden. Bis Kriegsschluss waren Paul und Waldemar Sinasohn in Arbeitslagern interniert. Beide überlebten, ihr Bruder Karl-Heinz kehrte als schwerverletzter Soldat zurück.
Der Lesumer Bürgermeister Fritz Köster und der SA-Scharführer August Frühling aus Lesum und andere müssen sich 1948 vor dem Landgricht Bremen verantworten. Frühling wird zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt, der Hauptangeklagte Köster zu lebenslanger Haft. Vorsatz liegt nach Ansicht des Gerichts nicht vor. Köster geht in die Revision, die Strafe wird auf 15 Jahre herabgesetzt, der Verurteilte 1953 vorzeitig entlassen. Anschließend arbeitet der Mann, der die Goldbergs in Burgdamm und Sinasohn in Platjenwerbe erschießen ließ, bei der Horten AG in Düsseldorf, später als Berater für die Vegesacker Lürssen-Werft. Und August Frühling wird 1951 auf Veranlassung des US-amerikanischen Hohen Kommissars für Deutschland begnadigt.
Quelle und Literatur: Rolf Rübsam: Sie lebten unter uns. Zum Gedenken an die Opfer der "Reichskristallnacht" 1938 in Bremen und Umgebung, Bremen 1988. Grundlage: Familiendokumente und Fotos, Zeitzeugen.
Auszugsweise aus "Erinnerung an Nazi-Morde" von Klaus Grunewald, veröffentlicht in den "Bremer Nachrichten" am 05.11.2013
(Lesumer SA-Trupp)
(Familie Goldberg in Burgdamm)