Plaschken und Pleine - Gegenwart und Erinnerung: Unterschied zwischen den Versionen
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Mädewald ist heute keine Bahnstation mehr. In dem '''1939''' erbauten Bahnhofsgebäude wird nur Schrankendienst gemacht. Auf der Chaussee nach [[Galsdon Joneiten]] überqueren wir die Gleise. Von rechts grüßt Paul '''Merkners''' Bahnhofsgastwirtschaft. Der Name auf dem Schild ist mit weißer Farbe überpinselt worden. Hinter der Gartenhecke taucht die Reiffeisen Meierei auf. An dem Geklapper der Milchkannen erkennen wir, dass sie auch jetzt in vollem Betrieb ist. Auf der anderen Straßenseite steht nur das Wohnhaus des Polizeimeisters '''Woelfert'''. Bald ist die Kreuzung mit der Landstraße [[Tilsit]]-[[Memel]] erreicht. Von der Drogerie '''Jodexnus''' stehen nur das Wohnhaus und der Stall. '''Schapeits''' Wirtschaft ist erhalten geblieben. Auch die Gebäude von Lehrer '''Schmidt''' früher '''Leitner''' stehen noch. Hier ist das jetztige '''Bezirksamt''' untergebracht. '''Launerts''' Haus dient wieder als Verkaufsladen. Bei '''Rose''' steht nur das Schlachthaus mit der Fleischerei, das jetzt zum Wohngebäude umgebaut worden ist.<br> | Mädewald ist heute keine Bahnstation mehr. In dem '''1939''' erbauten Bahnhofsgebäude wird nur Schrankendienst gemacht. Auf der Chaussee nach [[Galsdon Joneiten]] überqueren wir die Gleise. Von rechts grüßt Paul '''Merkners''' Bahnhofsgastwirtschaft. Der Name auf dem Schild ist mit weißer Farbe überpinselt worden. Hinter der Gartenhecke taucht die Reiffeisen Meierei auf. An dem Geklapper der Milchkannen erkennen wir, dass sie auch jetzt in vollem Betrieb ist. Auf der anderen Straßenseite steht nur das Wohnhaus des Polizeimeisters '''Woelfert'''. Bald ist die Kreuzung mit der Landstraße [[Tilsit]]-[[Memel]] erreicht. Von der Drogerie '''Jodexnus''' stehen nur das Wohnhaus und der Stall. '''Schapeits''' Wirtschaft ist erhalten geblieben. Auch die Gebäude von Lehrer '''Schmidt''' früher '''Leitner''' stehen noch. Hier ist das jetztige '''Bezirksamt''' untergebracht. '''Launerts''' Haus dient wieder als Verkaufsladen. Bei '''Rose''' steht nur das Schlachthaus mit der Fleischerei, das jetzt zum Wohngebäude umgebaut worden ist.<br> | ||
Von der hier hochgelegten Landesstraße können wir einen Blick auf einen Teil von [[Pleikischken]] werfen. | Von der hier hochgelegten Landesstraße können wir einen Blick auf einen Teil von [[Pleikischken]] werfen. Zu sehen sind nur das Wohnhaus von Fleischermeister '''Gottschalk''' und die Gebäude von Walter und Karl '''Wohlgemuth'''. Verschwunden sind die Höfe von '''Lessau''', R. '''Schukies''', R. '''Gawehn''', '''Balnus''', E. '''Lorenscheit''', '''Woischwill''' und viele andere. Natürlich sind auch die Baracken des weiblichen RAD-Lagers abgebrochen worden.<br> | ||
Unser Weg führt uns nun entlang des Landweges durch [[Pleine]]. Ein ganz ungewöhnliches Bild bietet sich uns. '''Uigschies'''' Wäldchen ist abgeholzt, nur Weiden- und Erlenstrauch wächst an seiner Stelle. Wie oft haben wir hier die ersten Erd- und Blaubeeren gepflückt! Dahinter steht '''Uigschies'''' Bauernhof, nur der Schuppen fehlt. Nahe dem Landwege stehen auch noch die Gebäude von '''Schulz'''. Nun empfängt uns eine Öde. Das ganze Land, links und rechts des Weges, ist versteppt und voller Unkraut. Auf einigen kahlen Feldern wirbelt der Wind den Sand hoch in die Luft und trägt ihn meilenweit fort. Von vielen einst stattlichen Bauernhöfen sind nur Ruinen und halbverfallene Schornsteine übrig geblieben. Sogar die Obstbäume und Zäune sind verschwunden. Nach etwa einer halben Stunde Marsch erreichen wir das Anwesen von Annus '''Woska'''; nur das Wohnhaus ist stehen geblieben. Etwas weiter auf der linken Wegseite steht noch das Wohnhaus von '''Bernoth'''. Die '''"Wilkenytsche"''' ist inzwischen viel größer geworden. Fast bis an den Landweg reicht sie heran. In jedem Winter sind hier Wölfe gesehen worden. Das angrenzende Land, bis weit hinter dem zerstörten Schulgehöft, gleicht der Sandwüste Sahara.<br> | |||
Die Weggabelung haben wir erreicht. Früher stand hier ein Wegweiser, der mit seinen Armen nach [[Plaschken]], [[Mädewald]] und [[Szameitkehmen]] zeigte. Einen Umweg machend, folgen wir dem Weg nach [[Szameitkehmen]] und kommen am Friedhof vorbei. Verwüstet liegt er da, die Gräber sind alle verfallen. Die Fliederhecke wuchert über die ganze Hecke. So haben unsere Gräber wenigstens im Frühjahr ihren Blumenschmuck. Die Umfriedung und die Brunnenrohre sind entfernt und "enteignet" worden. Auch die übrigen Friedhöfe sind alle geschändet und bis zur Unkenntlichkeit zerstört. Unsere zurückgebliebenen Landsleute begraben die Verstorbenen auf dem nächstgelegenen Friedhof, während die Litauer ihre Toten auf einem Friedhof in [[Rucken]] beerdigen. | |||
Quelle: Memeler Dampfboot Nr. 7 vom 5. April 1960 | |||
[[Kategorie:Memelland]] | [[Kategorie:Memelland]] |
Version vom 15. Februar 2010, 07:45 Uhr
1960 von Richard Taudien:
Mädewald ist heute keine Bahnstation mehr. In dem 1939 erbauten Bahnhofsgebäude wird nur Schrankendienst gemacht. Auf der Chaussee nach Galsdon Joneiten überqueren wir die Gleise. Von rechts grüßt Paul Merkners Bahnhofsgastwirtschaft. Der Name auf dem Schild ist mit weißer Farbe überpinselt worden. Hinter der Gartenhecke taucht die Reiffeisen Meierei auf. An dem Geklapper der Milchkannen erkennen wir, dass sie auch jetzt in vollem Betrieb ist. Auf der anderen Straßenseite steht nur das Wohnhaus des Polizeimeisters Woelfert. Bald ist die Kreuzung mit der Landstraße Tilsit-Memel erreicht. Von der Drogerie Jodexnus stehen nur das Wohnhaus und der Stall. Schapeits Wirtschaft ist erhalten geblieben. Auch die Gebäude von Lehrer Schmidt früher Leitner stehen noch. Hier ist das jetztige Bezirksamt untergebracht. Launerts Haus dient wieder als Verkaufsladen. Bei Rose steht nur das Schlachthaus mit der Fleischerei, das jetzt zum Wohngebäude umgebaut worden ist.
Von der hier hochgelegten Landesstraße können wir einen Blick auf einen Teil von Pleikischken werfen. Zu sehen sind nur das Wohnhaus von Fleischermeister Gottschalk und die Gebäude von Walter und Karl Wohlgemuth. Verschwunden sind die Höfe von Lessau, R. Schukies, R. Gawehn, Balnus, E. Lorenscheit, Woischwill und viele andere. Natürlich sind auch die Baracken des weiblichen RAD-Lagers abgebrochen worden.
Unser Weg führt uns nun entlang des Landweges durch Pleine. Ein ganz ungewöhnliches Bild bietet sich uns. Uigschies' Wäldchen ist abgeholzt, nur Weiden- und Erlenstrauch wächst an seiner Stelle. Wie oft haben wir hier die ersten Erd- und Blaubeeren gepflückt! Dahinter steht Uigschies' Bauernhof, nur der Schuppen fehlt. Nahe dem Landwege stehen auch noch die Gebäude von Schulz. Nun empfängt uns eine Öde. Das ganze Land, links und rechts des Weges, ist versteppt und voller Unkraut. Auf einigen kahlen Feldern wirbelt der Wind den Sand hoch in die Luft und trägt ihn meilenweit fort. Von vielen einst stattlichen Bauernhöfen sind nur Ruinen und halbverfallene Schornsteine übrig geblieben. Sogar die Obstbäume und Zäune sind verschwunden. Nach etwa einer halben Stunde Marsch erreichen wir das Anwesen von Annus Woska; nur das Wohnhaus ist stehen geblieben. Etwas weiter auf der linken Wegseite steht noch das Wohnhaus von Bernoth. Die "Wilkenytsche" ist inzwischen viel größer geworden. Fast bis an den Landweg reicht sie heran. In jedem Winter sind hier Wölfe gesehen worden. Das angrenzende Land, bis weit hinter dem zerstörten Schulgehöft, gleicht der Sandwüste Sahara.
Die Weggabelung haben wir erreicht. Früher stand hier ein Wegweiser, der mit seinen Armen nach Plaschken, Mädewald und Szameitkehmen zeigte. Einen Umweg machend, folgen wir dem Weg nach Szameitkehmen und kommen am Friedhof vorbei. Verwüstet liegt er da, die Gräber sind alle verfallen. Die Fliederhecke wuchert über die ganze Hecke. So haben unsere Gräber wenigstens im Frühjahr ihren Blumenschmuck. Die Umfriedung und die Brunnenrohre sind entfernt und "enteignet" worden. Auch die übrigen Friedhöfe sind alle geschändet und bis zur Unkenntlichkeit zerstört. Unsere zurückgebliebenen Landsleute begraben die Verstorbenen auf dem nächstgelegenen Friedhof, während die Litauer ihre Toten auf einem Friedhof in Rucken beerdigen.
Quelle: Memeler Dampfboot Nr. 7 vom 5. April 1960