Berichte des Verbandes der Laboratoriumsvorstände
Die Berichte des Verbandes der Laboratoriums-Vorstände an deutschen Hochschulen beinhalten Tabellen über alle diplomierte und promovierte Chemiker deutscher Hochschulen. Die Listen liegen digitalisiert für die Jahre 1898 bis 1918 vor und umfassen neben dem Namen oft biographische Angaben (Herkunftsorte) und Betreuer.
Die Listen wurden vollständig in den Jahren 2017 und 2018 indexiert; es können nun knapp 28 Tausend Einträge durchsucht werden.
Hintergrund
Der Verband der Laboratoriums-Vorstände an deutschen Hochschulen und das Verbandexamen
Um die Einführung eines Staatsexamens als Abschluss in der Chemie zu verhindern,[1] wurde im Jahr 1898 vom Verband der Laboratoriums-Vorstände an deutschen Hochschulen im Braunschweiger Statut die Einführung von sogenannten Verbandsexamina beschlossen. Der Verband der Laboratoriumsvorstände führte das Verbandsexamen vor allem deswegen ein, da sich die Vielzahl der deutschen Chemieprofessoren durch eine Einführung des Staatsexamens im Fach Chemie in ihrer akademischen Freiheit beschränkt sahen. Das Verbandsexamen wurde an deutschen Universitäten und technischen Hochschulen durch die entsprechenden Laboratoriumsvorstände abgenommen und galt damit als erste vergleichende akademische Prüfung. Das Verbandsexamen erlangte enorme Bedeutung, da so erstmal eine nach allgemeingültigen Standards vergleichbare Qualifikation als Voraussetzung für eine Promotion an den Universitäten geschaffen wurde. Das Verbandsexamen verlor in den 1930er Jahren fast gänzlich an Bedeutung, als die deutschen Universitäten dazu übergingen, entsprechend den technischen Hochschulen im Fach Chemie Diplome als Abschluss auszustellen.
Das Braunschweiger Statut
Das Braunschweiger Statut von 1897[2] lautet im Originalwortlaut wie folgt:
1. Zur Pflege und Föderung des chemischen Unterrichts an den deutschen Universitäten und technischen Hochschulen bilden die Vorstände der chemischen Unterrichtslaboratorien einen Verband, der den Namen Verband der Laboratoriums-Vorstände an deutschen Hochschulen führt und seinen Sitz in München hat.
2. Mitglied des Verbandes wird auf seinen Antrag jeder Vorstand eines chemischen Unterrichtslaboratoriums an einer der unter 1. genannten Anstalten.
3. Der Verband verfolgt seine Zwecke:
- durch den Verkehr mit Behörden und anderen Körperschaften;
- durch Vereinbarungen über gemeinsame Maassnahmen zur Sicherung einer gründlichen Ausbildung der Studirenden;
- durch die Herausgabe einer Verbandszeitschrift;
- durch den persönlichen Verkehr der Mitglieder.
4. Die Angelegenheiten des Verbandes werden durch einen Vorstand geleitet, der aus folgenden Gliedern besteht:
- Erster und zweiter Vorsitzender;
- Schriftführer, zugleich Leiter der Verbandszeitschrift;
- Schatzmeister;
- Zwei Beisitzer.
Die Glieder des Vorstandes werden auf je drei Jahre gewählt; jährlich scheiden zwei von ihnen aus; Wiederwahl ist zulässig.
5. Der Verband tritt in der Regel jährlich zu einer Hauptversammlung zusammen, welche den Rechenschaftsbericht des Vorstandes entgegennimmt, die Wahlen ausführt, über Zeit und Ort der nächsten Versammlung, sowie über eingelaufene Anträge beschliesst.
Die Hauptversammlung beschliesst mit einfacher Mehrheit; für Satzungsänderungen ist Zweidrittelmehrheit erforderlich.
Ausserordentliche Versammlungen können durch den Vorstand und müssen auf Antrag von einem Drittel der Mitglieder einberufen werden.
Der Verband stellt sich zunächst folgende Aufgaben:
Zum Abschluss der Vorbildung der Studirenden findet eine praktische Prüfung in qualitativer, quantitativer und Maass-Analyse, ferner eine mündliche Prüfung in der unorganischen, analytischen Chemie und in den Elementen der organischen Chemie statt, welche in der Regel durch den unmittelbaren Lehrer des Studirenden (Assistent, Abtheilungsvorstand) in Gegenwart des Directors abgenommen wird. Diese Prüfung ist einheitlich an allen dem Verband angehörigen Laboratorien, sie steht in keinem Zusammenhange mit dem Doktor- oder Diplom-Examen oder mit der Frage des Staatsexamens und gilt nur als Ausweis über die vom Verbande geforderten Kenntnisse.
Der Verband sieht es ferner als seine Aufgabe an, den Studirenden der technischen Hochschulen die Zulassung zur Promotion, sowie umgekehrt den Studirenden der Universitäten die Zulassung zu den Diplomprüfungen möglichst zu erleichtern.
Endlich soll der Verband eine corporative Vertretung Vertretung gegenüber Behörden, Ministerien etc. bilden.
Die Verbandszeitschrift soll in ihrem amtlichen Theile bringen: Verzeichnisse der Studirenden, welche a) die Verbandsprüfung bestanden; b) Schlussprüfungen an technischen Hochschulen machten; c) den Doctortitel erwarben; in letzterem Falle soll an die Spitze gestellt werden das Laboratorium, in welchem, und der Lehrer, bei welchem die Arbeit ausgeführt wurde, ferner die Titel der Dissertationen und endlich der Promotionsort.
Der Verband ist in Braunschweig am 19. September 1897 gegründet worden und trat mit dem 1. April 1898 in Thätigkeit.[3] Zu Vorstandsmitgliedern wurden in Braunschweig gewählt:
<tab> Erster Vorsitzender: von Baeyer – München. Zweiter Vorsitzender: Bunte – Karlsruhe. Erster Beisitzer: Emil Fischer – Berlin. Zweiter Beisitzer: Ernst von Meyer – Dresden. Schriftführer und Leiter der Zeitschrift: Ostwald – Leipzig. Schatzmeister: Liebermann – Berlin. </tab>
Bedeutung
Mit der Erfassung der Verbandsexamina ist zum ersten Mal überhaupt eine regionale sowie zeitliche und geschlechterspezifische Auswertung hinsichtlich der Studienabschlüsse in Chemie im deutschen Kaiserreich möglich. In den Berichten nicht nur die Verbandsexamina verzeichnet, sondern zusätzlich auf die abgeschlossenen Promotionen der jeweiligen Hochschulen im Fach Chemie.
In diesem Zusammenhang kann ein möglicher Fokus auf die konkrete Auswertung der Absolventinnen an den jeweiligen deutschen Hochschulstandorten gelegt werden.[4] Zum Beispiel haben Gisela Boeck und Tim Peppel auf diesem Wege Else Hirschberg, die erste Frau, die in Rostock das Chemie-Studium abschloss, gefunden.[5]
Mit den Promotionslisten lassen sich Rückschlüsse auf die jeweiligen Hochschullaufbahnen der Absolventen im Fach Chemie ziehen. Wichtige Fragen für eine wissenschaftliche Auswertung könnten wie folgt lauten: Wie hoch ist der Anteil derjenigen mit Verbandsexamen, die auch promoviert wurden? Welche zeitlichen Abstände zwischen Verbandsexamen und Promotion lagen in der Regel vor? Wie hochschulstandorttreu blieben diejenigen mit Verbandsexamen, die auch promoviert wurden?
Fußnoten
- ↑ zum historischen Hintergrund siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Verbandsexamen
- ↑ Quelle: Berichte des Verbandes der Laboratoriums-Vorstände an deutschen Hochschulen. Heft 1, 18. Sept. 1898, S. 3-4.
- ↑ Das Geschäftsjahr des Verbandes beginnt am 1. October. Als Jahresbeitrag ist die Summe von zehn Mark an den Schatzmeister Herrn Prof. Dr. Liebermann, Berlin W., Matthäikirchstr. 29 durch Postanweisung mit bezügl. Vermerk einzusenden.
- ↑ vergleiche in diesem Kontext dazu: https://de.wikipedia.org/wiki/Frauenstudium_im_deutschen_Sprachraum
- ↑ Siehe https://onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1002/nadc.20184072924
Editionsrichtlinien
- Datensätze beginnen immer am Spaltenbeginn positionieren.
- Abkürzungen werden nicht aufgelöst.
- Datumsangaben werden jeweils in die Form “T.M.JJJJ” überführt.
- Ist eine Angabe nicht vorhanden, wird das Feld leer gelassen.
- Es gibt zwei Arten von Listen in den Berichten: Examen und Promotionen. Diese enthalten unterschiedliche Informationen
Erfasste Angaben
- Nummer
- Die aufgedruckte Nummer der Zeugniskarte und steht in der ersten Spalte.
- Nummer Verbandszeugnis
- Die Nummer des später eingeführten Verbandszeugnisses.
- Nachname
- Nachnamen werden entsprechend der Vorlage soweit möglich mit allen Sonderzeichen (ä, ö, ü, í, ó, ò, ú, ù, û, etc.) übernommen. Abkürzungen werden nicht aufgelöst. Adelsprädikate werden mit Komma getrennt aufgeführt (z. B. „Zawadzki, v.“).
- Vornamen
- Vornamen werden entsprechend der Vorlage soweit möglich mit allen Sonderzeichen (ä, ö, ü, í, ó, ò, ú, ù, û, etc.) übernommen. Abkürzungen werden nicht aufgelöst.
- Grad
- Bisherige akademische Grade, insbesondere Doktorgrade. Diese werden auch in diesem Feld aufgenommen, wenn sich der Doktorgrad in der Spalte Vorbildung befindet.
- Herkunftsort
- Geburts- bzw. Herkunftsorte werden entsprechend der Vorlage ohne Abkürzungsauflösung übernommen (z. B. „Münden (Hann.)“, nicht „Münden (Hannover)“ oder „Münden, Hannover“).
- Vorbildung
- Angaben zur Vorbildung werden ohne Abkürzungsauflösung entsprechend der Vorlage übernommen (z. B. „O.-R.-Sch.”, nicht „Ober-Real-Schule“ oder „Oberrealschule“).
- Examinatoren
- Angaben Exminatoren werden ohne Abkürzungsauflösung entsprechend der Vorlage übernommen. Werden mehrere Personen genannt, so werden diese mit Komma getrennt erfasst, z.B. „C. Liebermann, Rüdorff“.
- Art
- Angaben zur Art der jeweiligen Prüfungen (ab Heft 5) werden ohne Abkürzungsauflösung entsprechend der Vorlage übernommen.
- Datum
- Datumsangaben werden jeweils in die Form „T.M.JJJJ“ überführt und nicht entsprechend der Vorlage übernommen (wenn z. B. in der Vorlage „6./7. 03“ steht, wird „6.7.1903“ eingegeben, bei „25. März 1901“ wird „25.3.1901“ erfasst).
- Prüfungsgegenstand
- Bei Ergänzungszeugnissen wird der Prüfungsgegenstand entsprechend der Vorlage übernommen.
- Ort der Prüfung
- Angabe aus den Spalten „Ort der Promotion“ und „Ort der Diplomerteilung“.
- Hochschule
- Die Akademie, Technische Hochschule oder Universität, zu dem der Eintrag zugeordnet ist. Die Akademie Münster wurde entsprechend ihrem Namen ab 1900 als „Universität Münster“ erfasst.
- Einrichtung
- Die Einrichtung wie das Labor oder Institut der Hochschule, dem der Eintrag zugeordnet ist.
- Heft
- Die Nummer des Heftes.
- Seite
- Die Seitenzahl im Heft.
Verfügbare Ausgaben
Zu Beginn des Projekts standen keine Scans zur Verfügung; die Berichte wurden daher in der Bibliothek der Universität Rostock gescannt.